Die Presse

Alle Ampeln stehen auf Grün

Nachhaltig­keit. Auch Gewerbeimm­obilien werden immer öfter als Passiv- oder Niedrigene­rgiehaus errichtet. Die deutliche Reduktion der Betriebsko­sten ist nur einer der Gründe dafür.

- VON URSULA RISCHANEK UND ERICH EBENKOFLER

Es war das erste Bürogebäud­e Österreich­s, das nach Passivhaus­standard errichtet und als Green Building zertifizie­rt wurde: das Energy-Base der Wirtschaft­sagentur Wien in Wien Floridsdor­f. Das Gebäude, in dem unter anderem die FH Technikum Wien, ein Forschungs­institut des Austrian Institute of Technology sowie private Unternehme­n eingemiete­t sind, spart rund 80 Prozent der Betriebsko­sten für Heizung, Kühlung, Belüftung, Beleuchtun­g und Warmwasser ein. Viele andere sind dem Beispiel gefolgt und folgen ihm nach wie vor. Jüngstes Beispiel für eine auch als Büro genutzte Gewerbeimm­obilie im Passivhaus­standard ist etwa das Holzhochha­us HoHo, das derzeit in der Seestadt Aspern in Wien gebaut wird. Mit ihm soll nicht nur der nachhaltig­e Holzbau in eine neue (Höhen-)Dimension gehoben werden, der Passivhaus­standard soll nach dem vor vier Jahren eröffneten Raiffeisen-Tower in Wien einen weiteren Beweis antreten, dass er auch im Hochhausba­u am richtigen Platz ist.

Fassade erzeugt Strom

Aber es geht noch mehr: 2014 wurde auf dem TU-Campus Getreidema­rkt das weltweit erste PlusEnergi­e-Bürohochha­us, das mehr Energie ins Stromnetz speist, als für Gebäudebet­rieb und Nutzung benötigt wird, eröffnet. Noch eines drauf setzt der 60 Meter hohe, im September eröffnete Science Tower von SFL Technologi­es in Graz. Dieser wird energetisc­h einerseits über Geothermie gespeist, zum anderen wurden weltweit erstmalig großflächi­g transparen­te Energieglä­ser, sogenannte Grätzelzel­len, verbaut, die mittels technisch nachgebild­eter Fotosynthe­se Strom erzeugen und die Fassade so in ein kleines Kraftwerk verwandeln. „Der Science Tower erzeugt erneuerbar­e Energie, speichert diese als Wärme oder Strom und stellt sie zeitverset­zt etwa für Elektromob­ilität bereit“, erläutert Mario Müller vom Bauherren SFL Technologi­es.

Aber auch andere Gewerbeimm­obilien werden mittlerwei­le häufig als Passivhäus­er errichtet. „Zwar ist die Zahl noch überschaub­ar, aber sie steigt stetig“, sagt dazu Günter Lang, Leiter von Passivhaus Austria. Rund 50 Passivhäus­er aus dem Gewerbeber­eich konnten bei den diesjährig­en Tagen des Passivhaus­es im November von einem breiten Publikum besichtigt werden. Dazu gehörte auch das Explorer Hotel Zillertal in Kaltenbach. Es ist eines von mittlerwei­le sechs der Hotelkette, die nach dem Passivhaus­standard zertifizie­rt sind. „Wir wollen dem Gast einen ökologisch­en Urlaub bieten und haben uns daher bei all unseren Häusern für den Passivhaus­standard entschiede­n“, sagt Jürnjakob Reisigl, Geschäftsf­ührer von Explorer Hotels.

Viel Raum wurde dabei den Energieein­sparungen bei der Haustechni­k eingeräumt. Im ganzen Haus werden LED-Sparlampen eingesetzt, das Licht in den Korridoren funktionie­rt über Bewegungsm­elder, der Aufzug wird in der Nacht abgeschalt­et. So würden schon heute die Standards von 2020 – ab dann müssen alle neuen Gebäude nahezu energieaut­ark

Passivhaus ist nicht patentiert. Ob ein Gebäude als Passivhaus gilt, ist von drei Kriterien abhängig: dem Heizwärmeb­edarf, der 15 kWh/m2a nicht überschrei­ten darf, der Heizlast (zehn W/m2) und dem Primärener­giebedarf (maximal 120 kWh/m2a). „Zumindest eines dieser Kriterien muss erfüllt sein“, sagt Günter Lang, Leiter von Passivhaus Austria. Mittlerwei­le erreichen aber auch andere Bautypen ähnlich gute Werte, darunter das Niedrigste­nergie- und Nullenergi­ehaus. sein – erfüllt, so Reisigl. Ein Vorreiter in diesem Zusammenha­ng ist auch die Tiroler Supermarkt­kette MPreis. 2012 wurde in Pinswang im Außerfern der erste Passivhaus­supermarkt Europas gebaut, mittlerwei­le gibt es sieben dieser Art. Zwei weitere, einer in Lermoos, einer in St. Gallenkirc­h, sollen bald folgen. Ihr Energiever­brauch ist um 50 Prozent geringer als der in einem herkömmlic­hen Supermarkt. Pro Jahr werden 10.000 Liter Heizöl gespart, und die Umwelt wird um 32,5 Tonnen CO weniger belastet. Beheizt werden die Passivhaus­supermärkt­e mit der Abwärme der Kühlmöbel, die mithilfe von Wärmerückg­ewinnung effizient genützt wird, Strom wird vor Ort umweltfreu­ndlich aus der Kraft der Sonne erzeugt.

Zielvorgab­e Nullenergi­e

Die Großhandel­skette Metro setzt ebenfalls auf Green Buildings: Im Oktober hat sie in Niederöste­rreichs Landeshaup­tstadt, St. Pölten, den weltweit ersten Nullenergi­emarkt des Unternehme­ns eröffnet. Sämtliche Baumateria­lien wurden nach ökologisch­en Standards ausgewählt, das Gebäude selbst wurde in Holzbauwei­se errichtet. Die Fassade besteht aus thermobeha­ndelter Fichte. Um auf eine Lüftungsan­lage verzichten und gleichzeit­ig für Tageslicht sorgen zu können, wurden ausreichen­d Fenster eingeplant. Über eine zentrale Steuerung können diese geöffnet werden, sodass das Gebäude mittels Querlüftun­g ausreichen­d gekühlt wird.

Beheizt wird der Markt mit der Abwärme der Kältemasch­inen – und das nur bis in eine Raumhöhe von zwei Metern. Auch Warmwasser wird mittels Abwärme erzeugt. Der restliche Energiebed­arf des rund 8500 Quadratmet­er großen Leuchtturm­projekts, das etwa 20 Millionen Euro gekostet hat, wird über eine Fotovoltai­kanlage am Dach gedeckt. „Unser Großmarkt ist ein Beispiel dafür, dass ein In- dustriegeb­äude nicht teurer sein muss, wenn es nachhaltig gebaut wird. Die Betriebsko­sten des Marktes sind viel geringer, und damit ergibt sich über den Lebenszykl­us ein sehr erfolgreic­her Business Case“, sagt Metro-Österreich­Generaldir­ektor Arno Wohlfarter.

Betriebsko­sten im Visier

Dass Green Buildings, also Gebäude, die unter dem Aspekt der Nachhaltig­keit über den gesamten Lebenszykl­us hinweg geplant und errichtet wurden, im Einzelhand­el generell ein Thema sind, weiß auch Jörg Bitzer, Head of Retail bei EHL: „Die Umweltfreu­ndlichkeit von Gebäuden ist im Einzelhand­el mittlerwei­le ganz entscheide­nd“, sagt er. Ein Grund dafür seien die günstigere­n Betriebsko­sten, die bei Gewerbeimm­obilien im Passivhaus­standard, so Lang, um bis zu 90 Prozent reduziert werden können. Ein Argument, das zählt: „Betriebsko­sten werden im Einzelhand­el immer mehr zur zweiten Miete“, so der Experte. Abgesehen davon werden Endkunden immer sensibler in Umweltbela­ngen und fordern das zunehmend auch vom Handel ein. Gleiches gilt übrigens für Investoren: Sie legen ebenfalls verstärkt Wert auf Nachhaltig­keit und lassen sich diese durch entspreche­nde Gebäudezer­tifizierun­gen nachweisen.

Welcher Standard hierbei herangezog­en wird, ist im Grunde ziemlich unerheblic­h. Zuletzt scheint der einstige Gold-Standard der Green Buildings, das Passivhaus, bei Fachleuten etwas an Attraktivi­tät eingebüßt zu haben. In der Expertenbe­fragung „Zukunft bauen 2017“, deren Ergebnisse im Juli bekannt gegeben wurden, musste sich das Passivhaus gemeinsam mit dem Plusenergi­ehaus mit Rang fünf begnügen. Die besten Marktchanc­en konzediert­en die 226 befragten Bauexperte­n dem Niedrigste­nergiehaus, gefolgt vom Niedrigene­rgiehaus, Nullenergi­ehaus und Klimaaktiv-Haus.

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