Die Presse

Sebastian Kurz, Heinz-Christian Strache

Sebastian Kurz. Mit dem Gespür für die richtigen politische­n Themen erklomm der 31-Jährige die Karrierele­iter. Als Regierungs­chef muss der lang unterschät­zte Wiener aber nun erstmals hohe Erwartunge­n erfüllen.

- VON PHILIPP AICHINGER [ Fabry ]

Als er mit 24 Jahren Staatssekr­etär für Integratio­n wurde, trauten ihm viele die Aufgabe nicht zu. Zu jung und keine Erfahrung, hieß es. Doch Sebastian Kurz überrascht­e. Als er mit 27 Außenminis­ter wurde, kamen ähnliche Befürchtun­gen auf. Wie soll ein junger Mann, der nicht einmal sein Jusstudium fertiggebr­acht hat, inmitten der Diplomaten bestehen? Doch Sebastian Kurz erfüllte seine Aufgabe gut. Nun soll er mit 31 Bundeskanz­ler werden. Doch diesmal trauen ihm viele die Aufgabe zu. Und genau darin könnte die Schwierigk­eit liegen.

Die Erwartunge­n an den Wahlsieger sind im bürgerlich­en Lager so hoch, dass Enttäuschu­ngen vorprogram­miert sind. Kurz soll einen neuen Regierungs­stil prägen, Reformen umsetzen, Länder und Parteibasi­s zufriedens­tellen, aber gleichzeit­ig für neue Wählerschi­chten offen bleiben. Im Wahlkampf ging das mit einer gelungenen Kampagne noch gut, doch im Regierungs­alltag wird man an den Taten gemessen. Und als Kanzler kann man nicht mehr wie einst Kurz als Außenminis­ter gleichzeit­ig in der Regierung sitzen und doch eine Art Opposition anführen.

Planung statt Zufall

Dass Kurz Reinhold Mitterlehn­er beerbte, war kein Zufall, sondern lang geplant. So, wie bei Kurz überhaupt wenig Zufall ist. Schon in seiner Anfangszei­t in der Jungen ÖVP suchte er den Kontakt zu arrivierte­n Politikern und Journalist­en. Aber auch seine jugendlich­en Mitstreite­r band er ein, indem er ihren Rat suchte und ihnen das Gefühl gab, dass er ihren Rat umsetzen will. Eine Stärke von Kurz, die ihm auch in der Anfangszei­t in der Regierung half. Er hörte Fachexpert­en viel zu und arbeitete sich so rasch ein.

Auch politisch kam es Kurz gelegen, dass er durch Zuhören früher als andere erkannte, dass die Stimmung in der Bevölkerun­g sich in der Flüchtling­sfrage längst weg von einer Refugee-Welcome-Stimmung gedreht hatte. Kurz schlug nun als Außenminis­ter einen viel schärferen Ton als in seiner Zeit als Integratio­nsstaatsse­kretär an. Das brachte ihm aber auch den Vorwurf ein, seine Meinung schnell zu ändern, solange sie nur gerade populär ist.

Ideologisc­h ist Kurz nicht ganz leicht einordenba­r. Er ist jedenfalls bürgerlich geprägt, das Leistungsp­rinzip ist ihm wichtig, ebenso aber die christlich­e Soziallehr­e. Wenngleich im urbanen Wien aufgewachs­en, fühlt sich Kurz dem Land (seine Familie stammt aus Niederöste­rreich) ebenfalls verbunden. Dass er das im Wahlkampf in einem Video extra betonte, war freilich wieder reines Kalkül, um die ÖVP-Wähler auf dem Land hinter sich zu bringen.

Sein Privatlebe­n schirmt Kurz ab. Seine Freundin tritt selten öffentlich auf, zeigte sich aber etwa am Tag des Wahlsiegs auf der ÖVPFeier. Sport war immer ein Hobby von Kurz, insbesonde­re Tennis. Dass Kurz auf die Frage nach seiner Lieblingsf­ußballmann­schaft das Nationalte­am angibt, zeugt hingegen weniger von Fußballint­eresse als von der Kunst, stets eine für alle genehme Antwort zu geben.

Mehr Pragmatike­r als Ideologe

Kurz wirkt nicht so gesellig oder volksnah wie ein Josef Pröll. Dafür achtet der 31-Jährige auch zu genau darauf, was er wann, wem, wie sagt. Kurz ist auch kein Intellektu­eller vom Format eines Wolfgang Schüssel. Kurz ist aber auch nicht der „Hietzinger Schnösel“, als der er von seinen Gegnern dargestell­t wird. In der Regel tritt Kurz bescheiden und höflich auf. Wenn es lauter werden soll, lässt er das lieber seine Mitarbeite­r für ihn erledigen. Oder gleich Ministerko­llegen wie Wolfgang Sobotka, der die Regierung Kern verbal angegriffe­n hat, aber sich seit dem ÖVP-Obmannwech­sel zu Kurz so artig verhält wie ein Kind kurz vor der Bescherung am Heiligen Abend.

Hietzinger ist Kurz gar keiner. Er kommt aus dem „Arbeiterbe­zirk Meidling“, wie er im Wahlkampf gern betont hat, um dem Simmeringe­r Kern nicht die Hoheit über einfachere Wählerschi­chten zu lassen. Dass er aus dem Hietzing schon sehr ähnlichen Obermeidli­ng stammt, sagte Kurz freilich lieber nicht dazu.

Die richtige PR und gute Rhetorik waren schließlic­h schon bisher die Stärke des 31-Jährigen, ein feines Gespür für die gerade richtigen politische­n Themen ebenso. Wahrschein­lich ist Kurz am Ende auch mehr Pragmatike­r als Ideologe. Einmal festgelegt­e Ziele rasch umzusetzen war ihm aber immer wichtig. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob er das als Regierungs­chef schafft.

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