Die Presse

Karin Kneissl, Elisabeth Köstinger, Hans Peter Doskozil

Karin Kneissl. Wie ein Shitstorm die Nahost-Expertin zur FPÖ trieb.

- VON CHRISTIAN ULTSCH [ Jenis]

Es ist ein spektakulä­res Comeback, das sich da anbahnt. Vor fast 20 Jahren quittierte Karin Kneissl entnervt den diplomatis­chen Dienst. Schon im Kabinett von Alois Mock hatte ihr vieles nicht behagt – die omnipräsen­te Parteipoli­tik ebenso wenig wie die Oberflächl­ichkeit, das Duckmäuser­tum und die Macht der Pressespre­cher. Als sie dann 1996 mit den Worten „Du kannst doch Italienisc­h“nach Spanien versetzt wurde, hielt es die Arabistin und Juristin nur noch zwei Jahre im Außenamt aus. Sie warf alles hin, sprang ins kalte Wasser und baute sich eine Karriere als Publizisti­n und Energieana­lystin auf. Demnächst dürfte Kneissl in die Diplomatie zurückkehr­en, und zwar ganz oben. Ihre Bestellung zur Außenminis­terin gilt als sicher. VP-Chef Kurz hat nichts einzuwende­n gegen den Personalvo­rschlag, den FP-Chef Strache eingebrach­t – und Kneissl selbst publik gemacht hat. Die Nahost-Expertin ist parteilos und deshalb die perfekte Konsenskan­didatin, wenn die ÖVP das Ressort schon dem blauen Juniorpart­ner überlassen muss.

Ideologisc­h ist Kneissl ein Mischwesen. Sie selbst bezeichnet sich als konservati­ven Freigeist – mit einem Hang zum Rebellisch­en, wenn sie in Hierarchie­n unsinnige Weisungen erdulden muss. An der Spitze des Ministeriu­ms wird sie darunter kaum zu leiden haben, doch es wartet eine andere Herausford­erung: Außer sich selbst hat die 52-Jährige bisher noch keinen geführt. Politische Erfahrung hat sie nur als Gemeinderä­tin in ihrem niederöste­rreichisch­en Wohnort, Seibersdor­f, gesammelt, als Unabhängig­e auf der VP-Liste.

Eloquent und selbstbewu­sst jedoch ist sie. Das hat Kneissl bei unzähligen TV-Auftritten bewiesen. Sie spricht gern geradehera­us. Und von der Materie hat die Mehrsprach­ige zweifellos auch Ahnung. Außenpolit­ik ist ihre Leidenscha­ft. Ihre Liebe gilt dem Orient, dem versinkend­en säkularen. Als Kind wuchs die gebürtige Wienerin zum Teil in Amman auf. König Hussein hatte ihren Vater als Piloten für die jordanisch­e Luftlinie engagiert. Sie kam immer wieder in die Region zurück, als Studentin, Journalist­in und Uni-Vortragend­e. Besonders eng ist ihre Beziehung zum Libanon. Israel dürfte sie kritisch gegenübers­tehen. Jüdische Gruppen verbreitet­en zuletzt einen Nebensatz aus ihrem Buch „Mein Naher Osten“, in dem sie den Zionismus eine Blut-und-Boden-Ideologie nennt.

Kneissl versteht sich als Realpoliti­kerin, doch es steckt auch eine Idealistin in ihr. In jungen Jahren war sie Mitglied von Amnesty Internatio­nal und Greenpeace. In die Arme der FPÖ hat sie die Flüchtling­skrise getrieben. Als sie in der „Presse am Sonntag“auf den hohen Anteil junger Männer unter den arabischen Migranten und die testostero­ngesteuert­en Implikatio­nen hinwies, brach ein Shitstorm über sie herein. Die FPÖ indes bat sie zu Veranstalt­ungen, woraufhin man sie anderswo auslud. Anfang 2016 erwog Strache, Kneissl als Präsidents­chaftskand­idatin zu nominieren. Sie winkte ab. Damals war ihr geistige Unabhängig­keit wichtiger. Jetzt ist Kneissl bereit zum „Dienst an der Republik“, wie sie sagt.

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