Die Presse

Der neue starke Mann in Nahost

Diplomatie. Russlands Präsident, Wladimir Putin, ist zum gefragten Mann in der arabischen Welt geworden. Er kann mit vielen Seiten – während sich die USA immer mehr ins Abseits stellen.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN Weitere Infos: www.diepresse.com/aussenpoli­tik

Vor zweieinhal­b Jahren, bei seinem ersten Besuch in Kairo, verriet nur ein kurzes, verächtlic­hes Zucken in den Mundwinkel­n, was Wladimir Putin wirklich dachte. Neben ihm auf der Ehrentribü­ne stand mit versteiner­ter Miene Gastgeber und Ex-Feldmarsch­all Abdel Fatah al-Sisi, während das ägyptische Militärorc­hester bei dem Versuch, die russische Nationalhy­mne zu spielen, in ohrenbetäu­bendem Gequake versank.

Umso mehr werden sich al-Sisi und seine Getreuen diesmal bemühen, den richtigen Ton zu treffen, wenn der Kreml-Herrscher am Montag zum zweiten Mal am Nil erscheint. Denn mittlerwei­le ist Putin nicht nur in Kairo, sondern auch andernorts im Nahen Osten ein gefragter Mann, der mit vielen Seiten kann, während sich die USA unter Donald Trump immer mehr ins Abseits manövriere­n.

Mit der Entscheidu­ng, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en, haben sich die USA vielerorts aus dem Spiel genommen. Palästinen­serpräside­nt Mahmoud Abbas hat ein Treffen mit US-Vizepräsid­ent Mike Pence abgesagt. Die USA hätten „alle roten Linien überschrit­ten“, sagte Abbas’ diplomatis­cher Berater. Auch das Oberhaupt der koptischen Christen in Ägypten, Tawadros II., will Pence nicht mehr treffen: Einen Termin Mitte Dezember in Kairo hat der Koptenpaps­t abgesagt.

Zwischenst­opp bei Erdogan˘

In Syrien steht Putin eisern an der Seite von Bashar al-Assad, unterhält trotzdem enge Beziehunge­n zum Premier Israels, Benjamin Netanjahu, und zum türkischen Staatschef, Recep Tayyip Erdogan,˘ mit dem er in Sotschi einen Syrien-Gipfel plant. Auf dem Weg von Moskau nach Kairo macht der Kreml-Chef am Montag eigens einen Kurzstopp in Ankara, weil ihn Erdogan˘ wegen des Jerusalem-Konflikts darum gebeten hat. Im vergangene­n Oktober ist sogar der 81-jährige König Salman als erster Monarch Saudiarabi­ens nach Moskau gereist, obwohl Riad als engster Verbündete­r der USA die russische Expansion in der Region mit Argwohn verfolgt, nicht zuletzt in Ägypten.

Dessen Führung unter Präsident al-Sisi setzt vor allem auf eine engere militärisc­he Zusammenar­beit mit der östlichen Großmacht, um den amerikanis­chen Einfluss zu kontern. Zudem will Kairo endlich grünes Licht für die Rückkehr der russischen Pauschalto­uristen zum Roten Meer, die vor dem Terrorabst­urz der Metrojet-Chartermas­chine im Oktober 2015 das größte Kontingent ausländisc­her Feriengäst­e darstellte­n. Doch Putins Preis für das Ende der gut zweijährig­en Reisesperr­e ist hoch.

Russische Kampfflieg­er in Ägypten

Zum einen verlangt er Ägyptens Unterschri­ft unter den Auftrag für einen Atomreakto­r am Mittelmeer durch den russischen Energiegig­anten Rosatom, die am Montag endlich erfolgen soll. Der geplante Meiler in al-Dabaa westlich von Alexandria zählt neben der bereits im Bau befindlich­en al-Barakah-Anlage der Vereinigte­n Arabischen Emirate zu den ersten kommerziel­len nuklearen Kraftwerke­n in der arabischen Welt. Die Kosten für al-Dabaa, dessen vier Reaktoren zusammen 4800 Megawatt Strom liefern sollen, belaufen sich auf 26 Milliarden Euro, die zu 85 Prozent von Russland finanziert werden.

Zum anderen will Putin mit Präsident alSisi eine fertig ausgehande­lte Militärver­einbarung in Kraft setzen, die erstmals seit 1973 wieder ägyptische Fliegerhor­ste für russische Kampfflugz­euge öffnet. Der Vertrag würde Moskau eine bewaffnete Präsenz am Nil erlauben, wie es sie seit dem Ende der Zusammenar­beit unter Präsident Anwar asSadat vor mehr als 40 Jahren nicht mehr gab.

 ?? [ APA ] ?? Präsident Putin – hier als Motiv einer Ausstellun­g in Moskau – kontert dem amerikanis­chen Einfluss in Nahost.
[ APA ] Präsident Putin – hier als Motiv einer Ausstellun­g in Moskau – kontert dem amerikanis­chen Einfluss in Nahost.

Newspapers in German

Newspapers from Austria