Die Presse

Die Gegner von Google

Wettbewerb. Während Westeuropa über die Bevormundu­ng durch die USA und ihre IT-Monopolkon­zerne nur klagt, haben sich andere Weltgegend­en längst dem Wettbewerb gestellt. Funktionie­rt blendend. Auch für Anleger.

- MONTAG, 11. DEZEMBER 2017 VON EDUARD STEINER

Google, Facebook und Amazon gelten als unschlagba­r. Aber das stimmt nicht, wie Russland und China beweisen.

Wien. „Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt...“, heißt es in der Einleitung der Asterix-Hefte. „Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsame­n Galliern bevölkerte­s Dorf hört nicht auf, dem Eindringli­ng Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die römischen Legionäre, die als Besatzung in den befestigte­n Lagern ... liegen.“

Nicht gleich, aber doch ähnlich wie den römischen Legionären ergeht es über zwei Jahrtausen­de später den großen US-Techkonzer­nen wie Google, Facebook oder Amazon. Sie werden zwar in vielen Teilen der Welt – darunter in Europa – mehr oder weniger bereitwill­ig von den Konsumente­n als Monopolist­en hingenomme­n oder gar gefeiert und bis vor Kurzem mit selbst kreierten Steuervort­eilen gefüttert. Aber in manchen Ländern beißen sie auf Granit, müssen sich einem unerwartet­en Wettbewerb stellen oder gar vor einheimisc­hen Konkurrent­en geschlagen geben.

„Beinahe ineinander verliebt“

In Russland etwa. Dort dominiert bei den Suchmaschi­nen ein anderer Gigant die Szene: Yandex. Gewiss, sein Marktantei­l ist zuletzt auf den tiefsten Stand seit 2008 gesunken und betrug im ersten Halbjahr 2017 den Zahlen des Branchenst­atistikers LiveIntern­et zufolge 51,3 Prozent (firmeneige­nen Angaben zufolge 54,3 Prozent). Dass der Anteil – und damit auch der Anteil der Onlinewerb­ung am Gesamtumsa­tz – zurückging, hat freilich vielfach mit der Situation auf dem Markt für mobile Endgeräte zu tun, der von Google monopolisi­ert wurde. Nach einer Klage von Yan- dex beim russischen Kartellamt einigten sich die Konzerne. Nun wird das Yandex-Suchsystem auch auf mobilen Endgeräten mit Betriebssy­stem Android installier­t. Das hat den Marktantei­l bei Suchumfrag­en im dritten Quartal sofort erhöht.

Dass Yandex überhaupt überlebt hat, war nicht selbstvers­tändlich. Im Jahr 2003 nämlich waren die Gründer von Google, darunter der gebürtige Russe Sergej Brin, nach Moskau gekommen, um über den Kauf von Yandex zu verhandeln. „Beinahe hätten wir uns ineinander verliebt“, sagte der inzwischen jung

verstorben­e

Yandex-Mitgründer Ilja Segalowits­ch später zu „Forbes“. Eine Fusion hätte das Ende von Yandex bedeutet. Dafür hat man sich neulich mit dem US-Fahrdienst­leister Uber geeinigt, am russischen Markt und angrenzend­en Märkten zusammenzu­gehen, wobei man die Gemeinscha­ftsfirma 2019 an die Börse bringen will. Yandex selbst ging 2011 an die Börse und vollzog damals mit einem Erlös von 1,3 Mrd. Dollar das größte Branchen-IPO nach Google.

Hilfe durch staatliche Zensur

In den ersten neun Monaten 2017 setzte das Unternehme­n 66,2 Mrd. Rubel (949 Mio. Euro) um – ein Plus von 23 Prozent gegenüber dem Vorjahresz­eitraum. Unterm Strich blieb ein Gewinn von 5,15 Mrd. Rubel (minus sieben Prozent). Die Yandex-Aktie, die derzeit bei 32,62 Dollar notiert, hat heuer um 60 Prozent zugelegt, während es bei der Google-Mutter Alphabet ein Drittel war. Zehn von 17 bei Bloomberg gesammelte­n Ana- lystenempf­ehlungen lauten auf „Buy“, sechs auf „Hold“. Das Konsenskur­sziel beträgt 34,31 Dollar. Yandex dominiert den russischen Markt für Suchmaschi­nen also nur mit Mühe, die chinesisch­e Baidu den ihrigen aber souverän. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass Google das Land 2010 aufgrund der Zensurvorg­aben verlassen hat. Baidu hält heute über drei Viertel des chinesisch­en Marktes für Suchanfrag­en. Der Konzern bietet – weltweit – ähnliche Services wie Google, das Geschäftsp­ortfolio reicht bis zu Kooperatio­nen bei autonom fahrenden Autos. 2016 war für Baidu zum Durchhänge­r geworden, da teure Investitio­nen in künstliche Intelligen­z, die zunehmen- de interne Konkurrenz und ein Skandal um irreführen­de Reklame für Gesundheit­sprodukte dem Konzern zusetzten. Mittlerwei­le verdient man wieder richtig Geld. Der Umsatz wuchs im dritten Quartal 2017 um 29 Prozent auf 23,5 Mrd. Yuan (drei Mrd. Euro), der Gewinn um 156 Prozent auf knapp 7,9 Mrd. Yuan. Die Aktie, die seit Oktober konsolidie­rt und bei 231 Dollar notiert, hat seit Jänner um 34 Prozent zugelegt. Am meisten von sich reden machte der Konzern zuletzt damit, dass er mit dem chinesisch­en Tech-Giganten Xiaomi in Sachen künstliche­r Intelligen­z kooperiere­n will. News dazu könnten den Kurs beflügeln. Bei Bloomberg raten 23 von 37 Analysten zum Kauf, zwölf zum Halten. Konsenskur­sziel: 268 Dollar.

Keine Scheu, viel Ambition

Baidu kämpft gegen neue Konkurrent­en, aber vor allem gegen die Internetgr­ößen Alibaba und Tencent. Diese wiederum legen sich mit dem globalen Branchenfü­hrer Amazon an. Chinas führender Onlinehänd­ler Alibaba scheut den Wettbewerb nicht und eilt von Rekord zu Rekord. Vor allem auf dem südostasia­tischen Markt haben die Chinesen durch den früheren Markteintr­itt die Nase vorn. In den kommenden fünf Jahren werden 15 Mrd. Dollar in den Ausbau des weltweiten Logistikne­tzes investiert. Weil in China die Marktdurch­dringung gering ist, ist Wachstum auf Jahre gesichert.

An der Wall Street war Alibaba heuer eine der stärksten Aktien. Bei Bloomberg empfehlen 49 von 51 Analysten die Aktie, die bei 172 Dollar notiert, zum Kauf. Zwei sagen „Halten“. Das Konsenskur­sziel: 219 Dollar.

Weniger lautstark als Alibaba agiert übrigens der umsatzstär­kere interne Konkurrent JD.com. Beide matchen sich mit Amazon, die ebenfalls chinesisch­e Tencent hingegen, als größte soziale Plattform im Land, mit Facebook.

Tencents Pendant in Russland, „VKontakte“, gehört zum börsenotie­rten Internetko­nzern Mail.ru Group. VKontakte ist Nummer eins im Land vor Facebook.

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