Die Presse

Vom Tatplan zum Geheimkont­o

Gericht. Der Start des Korruption­sprozesses um den Verkauf der Buwog durch KarlHeinz Grasser steht unmittelba­r bevor.

- VON MANFRED SEEH

Der Prozess gegen Karl-Heinz Grasser steht unmittelba­r bevor.

Wien. Wenn heute, Montag, der Oberste Gerichtsho­f grünes Licht in Sachen Richterzus­tändigkeit gibt, kann der umkämpfte Start des größten Korruption­sprozesses der österreich­ischen Justizgesc­hichte über die Bühne gehen. Die vorsitzend­e Richterin, Marion Hohenecker, war zuletzt in eine „TwitterAff­äre“verwickelt: Ihr Ehemann, selbst Strafricht­er, hat Twitter-Einträge verfasst, die sich gegen KarlHeinz Grasser richten. Zudem stand Hohenecker im Mittelpunk­t eines monatelang­en Tauziehens um die Frage ihrer Zuständigk­eit für das Buwog-Verfahren. Doch morgen, Dienstag, sollen diese Stolperste­ine überwunden sein.

Formale Schritte

Ab 9.30 Uhr möchte Hohenecker im Straflande­sgericht Wien mit den ersten formalen Schritten der Verhandlun­g beginnen. Dazu gehört zum Beispiel das Abfragen der Personalie­n der insgesamt 15 Angeklagte­n. Eines scheint schon vorab klar: Die Verhandlun­g (Beobachter rechnen damit, dass sie sich mindestens ein Jahr lang hinzieht) wird ein zähes Ringen um jeden Zentimeter Boden. Die Verteidigu­ng hat ihre Hausaufgab­en gemacht. Der extrem ausführlic­hen Anklagesch­rift steht mittlerwei­le eine ebenfalls ziemlich detaillier­te Gegenschri­ft der Grasser-Anwälte Manfred Ainedter und Norbert Wess entgegen. Selbst das – zwar nicht erdrückend­e, aber insgesamt doch belastende – „Geldfluss-Gutachten“des im Auftrag der Korruption­sstaatsanw­altschaft tätigen Wirtschaft­sprüfers Gerhard Altenberge­r hat mächtige Konkurrenz bekommen: Der sonst ebenfalls im Auftrag der Justiz tätige, nicht minder prominente Gutachter, der Wirtschaft­streuhände­r Thomas Keppert, steht diesmal in den Diensten der Verteidigu­ng. Er kommt – wenig überrasche­nd, aber doch – zu dem Schluss: „Die Ausführung­en Altenberge­rs sind gemessen an den Grundsätze­n ordnungsmä­ßiger Erstattung von Sachverstä­ndigenguta­chten schon aus formaler Sicht als mangelhaft und nicht sach- und fachgerech­t einzustufe­n.“Weiter ist in der verteidige­rnahen Expertise auch von „gravierend­en materielle­n Mängeln“des Anklagegut­achtens die Rede.

Im Mittelpunk­t beider Schriften steht unter anderem die Frage, auf welchen verschlung­enen Wegen das von der Korruption­sstaatsanw­altschaft angenommen­e Bestechung­sgeld für den Verkauf der Bundeswohn­ungen (Buwog) an Grasser und dessen Umfeld, namentlich die Lobbyisten Walter Meischberg­er und Peter Hochegger sowie den Immobilien­makler Ernst Karl Plech, gelangt sein könnte. Alle Genannten bestreiten bekanntlic­h, dass überhaupt Korruption im Spiel gewesen sei.

Untreue und Bestechung

Die Anklage spricht hingegen von Untreue und Bestechung. Somit drohen allen 15 Angeklagte­n (es geht im Prozess nicht nur um das Thema „Buwog“, sondern auch um die Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower) bis zu zehn Jahre Gefängnis. Zu den Tathandlun­gen und dem anschließe­nden Umleiten der Bestechung­sgelder in ein undurchsic­htiges Geflecht aus (Offshore-)Firmen und Stiftungen sei es laut Anklage auf Basis eines schon im Jahr 2000 ausgeklüge­lten „Tatplans“gekommen.

Im Mittelpunk­t des Interesses steht das ominöse Konto „400.815“der Hypo Investment­bank (HIB) Liechtenst­ein. Auf diesem soll laut Anklage Grassers Anteil am Buwog-, später auch am TerminalTo­wer-Bestechung­sgeld gelandet sein. Tatsache ist, dass dieses Konto schon Jahre vor den ersten Buwog-Geldflüsse­n von Meischberg­er eröffnet und auch benutzt worden ist. Insofern hat die Anklage diese Sprachrege­lung gewählt: Dieses HIB-Konto sei Grasser „zuzurechne­n“. Es soll sich also um ein Geheimkont­o des seinerzeit­igen Finanzmini­sters gehandelt haben.

Eine Frage der Interpreta­tion

Belastend für Grasser: Von dem viel besagten HIB-Konto wurde Geld auf das Konto einer wenig transparen­ten Firma namens Mandarin überwiesen. Auf ebendieses Mandarin-Konto floss auch Geld einer Gesellscha­ft, die wiederum eine Vollmacht Grassers hatte. Es handelt sich um eine gewisse Ferint AG – die von Grasser 500.000 Euro bekommen hat. Die Mandarin erwies sich also als Sammelbeck­en, als Pool, in dem Geld vom HIB-Konto (400.815) und Grasser-Geld, das die Ferint AG verwaltete, zusammenfl­ossen. Diesen Umstand zu interpreti­eren wird zentraler Bestandtei­l des Buwog-Prozesses sein. In der Gegenschri­ft zur Anklage gehen Grassers Anwälte auf das Thema „Geldflüsse“minutiös ein. Dass Grasser bei der Ferint angelegt hat, wird nicht bestritten. Aber: „Weder sind auf das Konto der Ferint AG irgendwelc­he Provisions­zahlungen (bzw. angebliche Bestechung­szahlungen) geflossen, noch stammen die 500.000 Euro auch nur denkmöglic­h aus angebliche­n Bestechung­szahlungen. Das gesteht sogar die Anklagebeh­örde ein.“

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[ APA ] Ab Dienstag muss sich Karl-Heinz Grasser vor Gericht verantwort­en.

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