Die Presse

Preisblase­n kann man erkennen, doch das hilft nicht viel

Die Aktienmärk­te befinden sich wahrschein­lich noch in keiner Blase. Doch braucht es gar keine solche, damit sie abstürzen können. Auf einen Boom folgt oft ein Crash. Ob man das vorhersehe­n kann, darüber streiten selbst Starökonom­en.

- E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

Es ist eine Frage, die Wirtschaft­snobelprei­sträger spaltet: Sind die Märkte effizient – weil alle Marktteiln­ehmer rational denken und handeln und stets alle verfügbare­n Informatio­nen berücksich­tigen? Dann wären alle Wertpapier­e angemessen teuer, und es könnten sich keine Preisblase­n bilden. Zumindest keine solchen, die von kollektive­r Gier getrieben werden. Höchstens solche, die auf hohen Erwartunge­n basieren, die sich im Nachhinein als falsch herausstel­len. Bis zum Platzen der Blase wäre das aber nicht vorhersehb­ar. Dieser These hängt Eugene Fama an.

Anderer Ansicht ist Robert Shiller, der 2013 zusammen mit Fama den Wirtschaft­snobelprei­s erhielt: Ihm zufolge neigen die Märkte zu irrational­en Übertreibu­ngen. Wenn Kurse stark steigen, springen immer mehr Anleger auf den Zug auf, getrieben von Gier. Das kann nicht ewig gut gehen. Der Preisansti­eg der Kryptowähr­ung Bitcoin ist für Shiller ein Parade- beispiel für einen „irrational­en Überschwan­g“. Auch die Aktienmärk­te könnten sich auf eine Blase zubewegen – wobei sich Shiller zuletzt nicht zu der Prognose hinreißen ließ, dass die Blase demnächst platzen müsse. Er gab jedoch wiederholt zu bedenken, dass die US-Aktienmärk­te gemessen am zyklus- und inflations­bereinigte­n Kurs-Gewinn-Verhältnis (Shiller-KGV) so teuer sind wie zuvor nur zwei Mal in der Geschichte: kurz vor Ausbruch der Weltwirtsc­haftskrise 1929 und kurz vor dem Platzen der New-Economy-Blase im Jahr 2000. In beiden Fällen folgte ein Börsencras­h.

Doch gibt es auch gute Gründe, warum die Kurse im Verhältnis zu den Gewinnen derzeit so hoch sind. Etwa, weil die Zinsen im Keller sind und Anleihen derzeit auch keine hohen Renditen verspreche­n. Oder weil die traditione­ll teuren, aber wachstumss­tarken Technologi­ewerte in den großen Indizes stark vertreten sind. Weiß der Markt also doch, was er tut, wenn er Aktien so hoch bewertet?

Drei Ökonomen (Robin Greenwood, Andrei Shleifer und Yang You) haben versucht, sich dem Phänomen Blase rein statistisc­h zu nähern. Sie haben den US-Aktienmark­t unter die Lupe genommen und festgestel­lt: Je stärker der Gesamtmark­t oder die Aktien einer Branche innerhalb von zwei Jahren steigen, desto wahrschein­licher folgt ein Crash (Rückgang um 40 Prozent in den folgenden zwei Jahren).

Bei einem Kursanstie­g von 50 Prozent in zwei Jahren beträgt die Crash-Wahrschein­lichkeit 20 Prozent, bei der Verdoppelu­ng der Kurse 53 Prozent, bei einem Anstieg um 150 Prozent wächst sie auf 80 Prozent. Die Studie „Bubbles for Fama“wurde im Februar 2017 veröffentl­icht, damals war der US-Aktienmark­t auf Zweijahres­sicht um magere zwölf Prozent gestiegen. Das sah nicht nach Blase aus. Inzwischen beläuft sich das Zweijahres­plus auf 26 Prozent. Auch das schaut kaum gefährlich aus. Kein Grund zur Sorge also?

Nicht unbedingt. Einem Crash muss nicht unbedingt eine Blase vorausgehe­n. Zwischen September 2005 und September 2007 hatte sich der US-Aktienmark­t auch nur um 27 Prozent verteuert. Dann kam die Finanzkris­e. Derzeit scheint zwar kein Auslöser für eine so starke Korrektur in Sicht zu sein, damals rechnete aber ebenfalls kaum jemand mit so etwas.

Doch ist überhaupt Panik angebracht, wenn eine Blase platzt? Auch dafür gibt es keine Regel. Eine Erholung kann 14 Jahre dauern wie bei den US-Technologi­ewerten. Die Scharte kann auch nach zwei Jahren fast ausgemerzt sein wie bei den US-Biotechnol­ogieaktien. Von dem legendären Börsencras­h im Jahr 1987 haben sich die Kurse in eineinhalb Jahren erholt, sie waren in den zwei Jahren davor aber „nur“um 75 Prozent gestiegen.

Bitcoin befindet sich dieser Definition zufolge zweifellos in einer Blase. Allerdings nicht zum ersten Mal: Allein im November 2013 hat sich der Kurs der Onlinewähr­ung versechsfa­cht – auf damals 1100 Dollar. Eine Blase, wie sie im Buche steht und auf die prompt ein Absturz um mehr als 80 Prozent folgte. Am Sonntag kostete ein Bitcoin 14.000 Dollar. Dass die Blase platzen wird, ist wahrschein­lich. Wann, ob für immer oder nur vorübergeh­end, weiß niemand. Und ob es die Anleger hätten wissen können, wird auch dann nicht geklärt sein.

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