Wie geht es mit der Einlagensicherung weiter?
EU-Pläne. Die EU will die Einlagensicherung vergemeinschaften; in Ländern mit stabilen Bankensystemen hört man das nicht gern. Niemand will für andere zur Kasse gebeten werden. Ökonomen sehen jedoch Lösungsansätze für ein faires System.
Wien. Diskussionen über die Einlagensicherung flammen meist dann auf, wenn etwas schiefgelaufen ist. Wenn es eine Bankenpleite gibt, oder eine Finanzkrise – wie zuletzt in Griechenland. Bilder von Menschenschlangen vor Banken, weil alle aus Angst vor einem Crash ihre Konten leerräumen wollen, lassen auch nicht unmittelbar Betroffene um ihr Erspartes zittern.
Auch jetzt steht die Einlagensicherung wieder zur Diskussion, zum Glück aus weniger dramatischen Gründen. Die EU-Kommission möchte einen europäischen Sicherungsfonds aufbauen, der die nationalen Systeme ersetzen soll. Ihre ersten Pläne dafür stießen jedoch in Ländern mit stabilen Bankensystemen – wie Deutschland, aber auch Österreich – auf Ablehnung. Im Oktober folgte ein neuer Vorschlag. Das Ziel bleibt dasselbe: ein gemeinsamer Einlagensicherungsfonds für die Eurozone, den alle Länder durch Beiträge ihrer Banken speisen. Zunächst wäre dieser aber bloß eine Rückversicherung, die einspringt, wenn die nationalen Systeme an Liquiditätsgrenzen stoßen. Dann soll eine schrittweise Vergemeinschaftung folgen, ab 2024 soll der europäische Fonds die nationalen ersetzen.
Was hieße das für die Bankkunden? Gedeckt wären weiterhin Spareinlagen und Kontoguthaben bis 100.000 Euro pro Person und Bank, die Entschädigungsfrist soll generell höchstens sieben Tage betragen. Verfechter der Idee erwarten mehr Sicherheit für die Sparer, weil ein gemeinsames System lokale Krisen besser abfangen könnte. Die Kehrseite der Medaille: Banken „sicherer“Länder, zu denen auch Österreich zählt, müssten für anderswo auftretende Probleme mitzahlen. Konkret ist vorgesehen, dass alle Euroländer zunächst Einzahlungen in Höhe von 0,8 Prozent ihrer durch die Sicherung gedeckten Einlagen für den Aufbau des gemeinsamen Topfes leisten sollen.
Wie viel die einzelnen Banken eines Landes beisteuern müssen, ist risikogewichtet, die Beiträge der Länder insgesamt sind es jedoch nicht. Unter anderem deshalb stößt der Vorschlag auf Kritik – nicht nur in der Finanzbranche, auch bei Ökonomen.
Sehr intensiv damit auseinandergesetzt hat sich Christian Keuschnigg, Professor für Nationalökonomie an der Universität St. Gallen und Direktor des Wirtschaftspolitischen Zentrums Wien.
Umverteilung vermeiden
Vom Prinzip her hält er einen gemeinschaftlichen Ansatz für richtig: „Es braucht eine europäische Einlagensicherung für mehr Finanzstabilität in der Eurozone.“Aber: Es müsse sich um eine „Versicherung“handeln. „Und deren Wesen ist es, dass sich Auszahlungen und Einzahlungen auf lange Sicht ausgleichen. Alles andere ist Umverteilung.“Ein „faires“System beschreibt er so: „In einer Bankenkrise hat das Land Zugang zu den Mitteln der zentralen Einlagensi- cherung, in normalen Zeiten zahlt es mit Beiträgen wieder zurück.“
Keuschnigg plädiert daher für eine zweistufige Lösung: Es soll nicht nur in der Anfangsphase, sondern auf Dauer bei den nationalen Sicherungssystemen bleiben, mit dem EU-Sicherungstopf als Rückversicherung. Wobei jedes Land, das die Rückversicherung in Anspruch nimmt, danach wieder entsprechend in den Topf einzahlen muss. „Ein System nach dem Rückversicherungsprinzip kann ein Vielfaches mehr an Entschädigung leisten als eine rein nationale Einlagensicherung“, meint Keuschnigg. Zugleich vermeide es jedoch eine „systematische Umverteilung“zwischen den Mitgliedsländern bzw. ihren Bankensystemen.
Peter Brandner, Ökonom des Thinktanks Weis[s]e Wirtschaft, argumentiert indes, dass sich Umverteilung auch anders vermeiden lässt – indem die Zwischenschaltung der Länder gänzlich wegfällt. Und jede Bank direkt, entsprechend ihrer Risikogewichtung relativ zu allen an der Bankenunion teilnehmenden Instituten, in den europäischen Topf einzahlt. Der Zielwert (0,8 Prozent der gedeckten Einlagen) müsste dann nicht pro Land erreicht werden, sondern nur in Summe für die Eurozone. „Auch dann gäbe es keine Umverteilung von ,sicheren‘ zu ,weniger sicheren‘ Bankensystemen einzelner Länder“, sagt Brandner.