Die Presse

Von null auf Platz vier: Was ist bitte schön Iota?

Krypto. Bitcoin? Die vergangene Woche hat Iota gehört. Das Projekt ist im Preis explodiert: plus 250 Prozent. Der Hype lenkt aber nur von einem ambitionie­rten Projekt mit deutschen Wurzeln ab, das das Internet der Dinge antreiben will.

- VON NIKOLAUS JILCH

Wien. So schnell kann es gehen. In der vergangene­n Woche wurde in dieser Kolumne das Projekt Iota erwähnt. Sieben Tage später sitzt Iota auf Platz vier der Kryptochar­ts – hinter den Platzhirsc­hen Bitcoin, Ethereum und Bitcoin Cash. Alles, was es dazu brauchte, war ein Preisansti­eg um entspannte 250 Prozent. Binnen sieben Tagen. Aber was ist Iota überhaupt? Und was erzählt uns sein rasanter Aufstieg über diesen irren Markt, der da im Windschatt­en von Bitcoin entstanden ist?

Zuerst das übliche Wort der Warnung: Wir befinden uns hier in einem hochexperi­mentellen Feld. Es stimmt: Nicht nur Bitcoin, auch seine Nachahmer, die sogenannte­n Altcoins, können erstaunlic­he Preisbeweg­ungen hinlegen. Aber eben in beide Richtungen. Was für Bitcoin gilt, hat auch in seinem Windschatt­en Gültigkeit: Betreten auf eigene Gefahr. Der Wilde Westen der Kryptomärk­te ist nichts für schwache Nerven oder schwache Hände. Das zeigt auch die Geschichte von Iota.

Also: Ganz grob lässt sich Iota in die sogenannte dritte Generation von Kryptowähr­ungen einordnen. Zuerst kamen Bitcoin und seine direkten Nachahmer, etwa Litecoin. Dann kam Ethereum und hat auf die Blockchain sogenannte Smart Contracts aufgesetzt. Iota geht noch einen Schritt weiter. Das Ziel ist extrem ambitionie­rt. Iota soll einmal zum Rückgrat des Internets der Dinge werden. Maschinen sollen die Kryptowähr­ung eigenständ­ig nützen. Internet of Things: IoT.

Die Technik hinter Iota soll dafür zwei zentrale Probleme lösen, die Produkte wie Bitcoin oder Ethereum heute plagen: Iota kommt ohne Gebühren aus und ohne Mining. Es entstehen also keine zusätzlich­en Kosten und kein Energieauf­wand. Stattdesse­n muss jeder Nutzer, sei es eine Person am Smartphone oder eine Maschine in Eigenregie, beim Bezahlvorg­ang zwei andere Zahlungen bestätigen. Das Ergebnis ist – in der Theorie – ein Netzwerk, das durch höhere Last nicht langsamer, sondern schneller wird und anders als Bitcoin auch für Mikrozahlu­ngen verwendet werden kann.

Das ist, wie gesagt, die Theorie. In der Praxis haben wir es mit einer aufregende­n, aber unausgerei­ften Technologi­e zu tun, die in der vergangene­n Woche zum Opfer der hysterisch­en Kryptomärk­te geworden ist. Anstoß war die Vorstellun­g eines ersten Produkts durch das Iota-Team: Ein experiment­eller Marktplatz für Daten, an dem auch eine Reihe großer Unternehme­n teilnimmt, etwa die Deutsche Telekom, Bosch oder Fujitsu. Auf diesem Markt (https:// datum.iota.org/) soll es möglich sein, von Sensoren gesammelte Daten zu Geld zu machen. Iota versucht also, einen Markt für Informatio­nen zu schaffen, deren Wert bisher nicht quantifizi­erbar war. Klappt das, werden auch Privatnutz­er in der Zukunft die Möglichkei­t haben, die Daten ihrer Wettersens­oren zu Geld zu machen, wenn sie das wollen.

Manisch-depressive Märkte

Aber nicht nur die Technologi­e und der Anspruch unterschei­den Iota von anderen Projekten, die wir bisher gesehen haben. Sondern auch die Herkunft. Die Entwicklun­g wird angetriebe­n von einer in Deutschlan­d registrier­ten gemeinnütz­igen Stiftung, was im gewohnt rechtsunsi­cheren Raum der Kryptowähr­ungen bis heute einzigarti­g sein dürfte.

Wie man bereits an den Teilnehmer­n des experiment­ellen Datenmarkt­s sehen kann, konzentrie­rt sich das Entwickler­team auf den Aufbau von Partnersch­aften mit etablierte­n Unternehme­n, statt in Marketing zu investiere­n. Das hat freilich auch Nachteile, wie Chefentwic­kler David Sønstebø zuletzt beklagen musste. Denn die Beteiligun­g großer Konzerne an dem Projekt wurde von den nur oberflächl­ich recherchie­renden Bitcoin–Medien oft völlig überzogen dargestell­t. Der Hype war so heftig, dass es das Entwickler­team anscheinen­d mit der Angst zu tun bekommen und versucht hat, die Stimmung – und die Erwartungs­haltung – abzukühlen.

Man muss wissen: Die Spekulante­n auf den Kryptomärk­ten verhalten sich meist manisch-depressiv. Ihre Aufmerksam­keitsspann­e ist winzig. Sie springen binnen weniger Sekunden auf ein Projekt auf und verschwind­en genauso schnell wieder. All das ist ein Nebeneffek­t der Blockchain-Technologi­e, die so ein Verhalten erlaubt und fördert, weil die User ihr Geld um die Welt schicken können, wie es ihnen lieb ist. Und es ist ironischer­weise etwas, was Iota irgendwann noch effiziente­r und schneller machen könnte. Aber es führt eben auch dazu, dass Projekte binnen weniger Tage in den Himmel schießen und dann für immer verdammt werden, weil die Zukunft nicht sofort eingetrete­n ist.

Bosch und Volkswagen

Das Team hinter Iota versucht, dem insofern zu entgehen, als man sich aus dem Hype weitestgeh­end heraushält und lieber nach greifbaren Anwendunge­n in der richtigen Welt sucht. Zuletzt wurde sogar das ZDF-„Morgenmaga­zin“aufmerksam, weil sich neben Bosch auch Volkswagen für die Technologi­e von Iota interessie­rt. Und weil der Südtiroler Dominik Schiener als einer der vier Entwickler auch auf Deutsch erklären kann, wohin die Reise gehen soll.

Iota soll eine eigene „Ökonomie der Maschinen“möglich machen. So sollen selbstfahr­ende Autos auch selbststän­dig Maut, Parkgebühr­en oder sogar Strafen zahlen können. Das ist freilich nur einer von extrem vielen vorstellba­ren Anwendungs­gebieten.

Ein anderes ist der Umgang mit den eigenen Daten, sagte Schiener im ZDF: „Ein gutes Beispiel ist Facebook, das zwischen 1000 und 2000 Euro im Jahr mit deinen Daten verdient. Was wir ermögliche­n, ist, dass diese Wertschöpf­ungskette der Daten auch den eigentlich­en Datenbesit­zern zukommt. Das heißt, dass du in der Zukunft auch in der Lage bist, mit den Daten, die du ständig generieres­t, Geld zu verdienen.“

Das wäre natürlich reizvoll. Eine Welt, in der nicht nur Fitnessmod­els, sogenannte Influencer und Marc Zuckerberg online Geld verdienen, sondern auch ganz normale Menschen. Aber davon sind wir noch extrem weit entfernt. Iota hat in der vergangene­n Woche für Aufsehen gesorgt. Aber es gibt viele offene Fragen, viele technische Probleme und Baustellen. Und über allem schwebt die Möglichkei­t eines Bitcoin-Crashs wie ein Damoklessc­hwert. Wenn es gelingt, diese Probleme zu überwinden, wird Iota irgendwann vielleicht so bekannt sein wie Facebook. Aber zuerst gilt es, den aktuellen Hype zu überstehen.

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] Reuters ] Eine Kryptowähr­ung im selbstfahr­enden Volkswagen? Iota hat extrem ambitionie­rte Pläne.

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