Von null auf Platz vier: Was ist bitte schön Iota?
Krypto. Bitcoin? Die vergangene Woche hat Iota gehört. Das Projekt ist im Preis explodiert: plus 250 Prozent. Der Hype lenkt aber nur von einem ambitionierten Projekt mit deutschen Wurzeln ab, das das Internet der Dinge antreiben will.
Wien. So schnell kann es gehen. In der vergangenen Woche wurde in dieser Kolumne das Projekt Iota erwähnt. Sieben Tage später sitzt Iota auf Platz vier der Kryptocharts – hinter den Platzhirschen Bitcoin, Ethereum und Bitcoin Cash. Alles, was es dazu brauchte, war ein Preisanstieg um entspannte 250 Prozent. Binnen sieben Tagen. Aber was ist Iota überhaupt? Und was erzählt uns sein rasanter Aufstieg über diesen irren Markt, der da im Windschatten von Bitcoin entstanden ist?
Zuerst das übliche Wort der Warnung: Wir befinden uns hier in einem hochexperimentellen Feld. Es stimmt: Nicht nur Bitcoin, auch seine Nachahmer, die sogenannten Altcoins, können erstaunliche Preisbewegungen hinlegen. Aber eben in beide Richtungen. Was für Bitcoin gilt, hat auch in seinem Windschatten Gültigkeit: Betreten auf eigene Gefahr. Der Wilde Westen der Kryptomärkte ist nichts für schwache Nerven oder schwache Hände. Das zeigt auch die Geschichte von Iota.
Also: Ganz grob lässt sich Iota in die sogenannte dritte Generation von Kryptowährungen einordnen. Zuerst kamen Bitcoin und seine direkten Nachahmer, etwa Litecoin. Dann kam Ethereum und hat auf die Blockchain sogenannte Smart Contracts aufgesetzt. Iota geht noch einen Schritt weiter. Das Ziel ist extrem ambitioniert. Iota soll einmal zum Rückgrat des Internets der Dinge werden. Maschinen sollen die Kryptowährung eigenständig nützen. Internet of Things: IoT.
Die Technik hinter Iota soll dafür zwei zentrale Probleme lösen, die Produkte wie Bitcoin oder Ethereum heute plagen: Iota kommt ohne Gebühren aus und ohne Mining. Es entstehen also keine zusätzlichen Kosten und kein Energieaufwand. Stattdessen muss jeder Nutzer, sei es eine Person am Smartphone oder eine Maschine in Eigenregie, beim Bezahlvorgang zwei andere Zahlungen bestätigen. Das Ergebnis ist – in der Theorie – ein Netzwerk, das durch höhere Last nicht langsamer, sondern schneller wird und anders als Bitcoin auch für Mikrozahlungen verwendet werden kann.
Das ist, wie gesagt, die Theorie. In der Praxis haben wir es mit einer aufregenden, aber unausgereiften Technologie zu tun, die in der vergangenen Woche zum Opfer der hysterischen Kryptomärkte geworden ist. Anstoß war die Vorstellung eines ersten Produkts durch das Iota-Team: Ein experimenteller Marktplatz für Daten, an dem auch eine Reihe großer Unternehmen teilnimmt, etwa die Deutsche Telekom, Bosch oder Fujitsu. Auf diesem Markt (https:// datum.iota.org/) soll es möglich sein, von Sensoren gesammelte Daten zu Geld zu machen. Iota versucht also, einen Markt für Informationen zu schaffen, deren Wert bisher nicht quantifizierbar war. Klappt das, werden auch Privatnutzer in der Zukunft die Möglichkeit haben, die Daten ihrer Wettersensoren zu Geld zu machen, wenn sie das wollen.
Manisch-depressive Märkte
Aber nicht nur die Technologie und der Anspruch unterscheiden Iota von anderen Projekten, die wir bisher gesehen haben. Sondern auch die Herkunft. Die Entwicklung wird angetrieben von einer in Deutschland registrierten gemeinnützigen Stiftung, was im gewohnt rechtsunsicheren Raum der Kryptowährungen bis heute einzigartig sein dürfte.
Wie man bereits an den Teilnehmern des experimentellen Datenmarkts sehen kann, konzentriert sich das Entwicklerteam auf den Aufbau von Partnerschaften mit etablierten Unternehmen, statt in Marketing zu investieren. Das hat freilich auch Nachteile, wie Chefentwickler David Sønstebø zuletzt beklagen musste. Denn die Beteiligung großer Konzerne an dem Projekt wurde von den nur oberflächlich recherchierenden Bitcoin–Medien oft völlig überzogen dargestellt. Der Hype war so heftig, dass es das Entwicklerteam anscheinend mit der Angst zu tun bekommen und versucht hat, die Stimmung – und die Erwartungshaltung – abzukühlen.
Man muss wissen: Die Spekulanten auf den Kryptomärkten verhalten sich meist manisch-depressiv. Ihre Aufmerksamkeitsspanne ist winzig. Sie springen binnen weniger Sekunden auf ein Projekt auf und verschwinden genauso schnell wieder. All das ist ein Nebeneffekt der Blockchain-Technologie, die so ein Verhalten erlaubt und fördert, weil die User ihr Geld um die Welt schicken können, wie es ihnen lieb ist. Und es ist ironischerweise etwas, was Iota irgendwann noch effizienter und schneller machen könnte. Aber es führt eben auch dazu, dass Projekte binnen weniger Tage in den Himmel schießen und dann für immer verdammt werden, weil die Zukunft nicht sofort eingetreten ist.
Bosch und Volkswagen
Das Team hinter Iota versucht, dem insofern zu entgehen, als man sich aus dem Hype weitestgehend heraushält und lieber nach greifbaren Anwendungen in der richtigen Welt sucht. Zuletzt wurde sogar das ZDF-„Morgenmagazin“aufmerksam, weil sich neben Bosch auch Volkswagen für die Technologie von Iota interessiert. Und weil der Südtiroler Dominik Schiener als einer der vier Entwickler auch auf Deutsch erklären kann, wohin die Reise gehen soll.
Iota soll eine eigene „Ökonomie der Maschinen“möglich machen. So sollen selbstfahrende Autos auch selbstständig Maut, Parkgebühren oder sogar Strafen zahlen können. Das ist freilich nur einer von extrem vielen vorstellbaren Anwendungsgebieten.
Ein anderes ist der Umgang mit den eigenen Daten, sagte Schiener im ZDF: „Ein gutes Beispiel ist Facebook, das zwischen 1000 und 2000 Euro im Jahr mit deinen Daten verdient. Was wir ermöglichen, ist, dass diese Wertschöpfungskette der Daten auch den eigentlichen Datenbesitzern zukommt. Das heißt, dass du in der Zukunft auch in der Lage bist, mit den Daten, die du ständig generierest, Geld zu verdienen.“
Das wäre natürlich reizvoll. Eine Welt, in der nicht nur Fitnessmodels, sogenannte Influencer und Marc Zuckerberg online Geld verdienen, sondern auch ganz normale Menschen. Aber davon sind wir noch extrem weit entfernt. Iota hat in der vergangenen Woche für Aufsehen gesorgt. Aber es gibt viele offene Fragen, viele technische Probleme und Baustellen. Und über allem schwebt die Möglichkeit eines Bitcoin-Crashs wie ein Damoklesschwert. Wenn es gelingt, diese Probleme zu überwinden, wird Iota irgendwann vielleicht so bekannt sein wie Facebook. Aber zuerst gilt es, den aktuellen Hype zu überstehen.