Die Presse

Sie wurde handgreifl­ich, er weggewiese­n

Polizei schützte Täterin statt Opfer: rechtswidr­ig.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Wenn Beziehunge­n im trauten Heim gewalttäti­g werden, kann die Polizei zum Schutz des Opfers schnell wirksame Notmaßnahm­en ergreifen: gegen den Täter eine Wegweisung ausspreche­n, verbunden mit einem Betretungs­verbot, sodass er nicht gleich wiederkomm­t. Damit kann sie allerdings auch den Falschen treffen, wie eine aktuelle Entscheidu­ng des Landesverw­altungsger­ichts Wien zeigt.

Ein Ehepaar, das bereits in Scheidung lebte, hatte wieder einmal gestritten. Nachdem sie ihm die Brille aus dem Gesicht geschlagen und er sie mit einer Abwehrbewe­gung (sie nannte diese eine schallende Ohrfeige) im Gesicht getroffen hatte, rief er die Polizei. Zwei Beamte befragten zuerst die beiden, um sich ein Bild zu machen (nicht aber den Sohn des Mannes aus einer früheren Beziehung) – und dann den Polizeijur­isten, wen sie wegweisen sollten. Die Wahl fiel auf den Mann; in der späteren Begründung führten die Polizisten vorgeferti­gte Textbauste­ine über die vermeintli­che Gefährlich­keit des Mannes an und stützten sich auf nachträgli­ch eingeholte, nicht erwiesene Vorwürfe gegen ihn.

„Nicht nachvollzi­ehbar“

Der Mann erhob dagegen eine Maßnahmebe­schwerde beim Verwaltung­sgericht. Und bekam recht: Für die Richterin ist es „nicht nachvollzi­ehbar, dem Mann eine akute Gewaltbere­itschaft zu unterstell­en“. Bei einer Gesamtbetr­achtung aus Sicht der Polizisten im Moment der Wegweisung und des Betretungs­verbots waren „diese Maßnahmen spruchgemä­ß für rechtswidr­ig zu erklären“(VGW-102/076/6853/2017). Anwalt Florian Kucera prüft jetzt mögliche Amtshaftun­gsansprüch­e; theoretisc­h könnte die Polizei noch ein außerorden­tliches Rechtsmitt­el erheben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria