Jahresabschluss und Insolvenz: „Brutale Verquickung falsch“
Bilanz. Wirtschaftstreuhänder wollen nach berufsinternen Richtlinien in Rechnungslegung verstärkt von Unternehmensfortführung ausgehen.
Wien. Die österreichischen Wirtschaftstreuhänder treten dafür ein, die Regeln der Rechnungslegung stärker vom Insolvenzrecht zu trennen. Nach neuen berufsinternen Richtlinien soll bei der Bilanzerstellung ab sofort schärfer zwischen der (unternehmensrechtlichen) Fortführungsprognose und der (insolvenzrechtlichen) Fortbestehensprognose unterschieden werden.
Prinzip des „Going concern“
Die Klarstellung, auf welche die Wirtschaftstreuhänder großen Wert legen: Ein Unternehmen in der Krise, dessen Zukunft aus insolvenzrechtlicher Sicht noch unklar ist, kann nach dem Fortführungsprinzip („Going concern“) noch mit einer positiven Fortführungsannahme versehen werden. Selbst dann, wenn der Bilanzersteller von dieser Annahme abgeht, muss er nicht automatisch gleich auf Liquidationswerte übergehen.
Wenn in Österreich ein Unternehmen pleite geht, folge oft der Vorwurf, die vorangegangenen Jahresabschlüsse müssten falsch gewesen sein, sagt Anton Schmidl, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner der SOT Crowe Horwath. „Die Verquickung der Insolvenz mit dem Jahresabschluss ist in dieser Brutalität aber falsch“, so Schmidl im Gespräch mit der „Presse“. Er ist Leiter jenes Unterausschusses der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, der in einem Fachgutachten dargelegt hat, wie und wieso die unternehmens- und insolvenzrechtlichen Tatbestände präziser auseinandergehalten werden müssten.
„Das Insolvenzrecht ist ein defensives Recht, im Wesentlichen darauf bedacht, Gläubigerbegünstigung zu verhindern und das Vermögen zu verwerten“, erläutert Schmidl. Diesem deutlich risikoaversen Insolvenzrecht stehe das risiko-affine Unternehmensrecht gegenüber. „Das Unternehmen muss seine Chancen nutzen.“
Im Zweifel für die Fortführung
Von der Fortführungsannahme ist laut Schmidl erst zu einem sehr späten Zeitpunkt abzugehen: Nämlich dann, wenn hinreichend sichere, also substanzielle und in hohem Maß wahrscheinliche Gründe gegen die Annahme sprechen, dass das Unternehmen weitergeführt wird. Eine Fortbestehensprognose kann demgegenüber nur dann positiv ausfallen, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Überleben des Unternehmens spricht. „Sie verlangt damit ein wesentlich höheres Maß an Sicherheit“, erklärt Schmidl.
Überraschenderweise kann nach dem Fachgutachten, das mittlerweile von der Kammer offiziell genehmigt worden ist, der Bilanzersteller auch bei einem Abgehen von der Fortführungsannahme noch zuwarten, ehe er zu den Liquidationswerten (mit einer radikal verkürzten wirtschaftlichen Nutzungsdauer der vorhandenen Güter) übergeht: Nämlich so lange, bis ein formelles Liquidationsverfahren (Insolvenzverfahren) eingeleitet wird. Dahinter steckt die Überlegung, dass ein Unternehmen ja auch aus einer Insolvenz heraus saniert und fortgeführt werden kann.
Austriacum in der Bilanz
Bei all dem bleibt freilich die gesetzliche Anordnung weiterhin aufrecht, die eine Brücke zwischen Insolvenz- und Unternehmensrecht bildet (für Schmidl „ein Austriacum“): Bei negativem Eigenkapital ist im Anhang zum Jahresabschluss „zu erläutern, ob eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vorliegt“, wie es in § 225 des Unternehmensgesetzbuchs heißt. Deutlicher muss im Anhang im Kapitel Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden der Grundsatz der Fortführungsannahme offengelegt werden, so die Forderung der Wirtschaftstreuhänder. Bestehen wesentliche Unsicherheiten im Hinblick auf die Fortführung des Unternehmens, müssen auch diese zweifelsfrei angegeben werden.