Der Krieg der Kriege, der die Mitte Europas verwüstete
Zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges vor 400 Jahren gibt es eine Flut von Publikationen. Eine ist besonders gelungen.
D ie runden Jubiläen haben ihre Vorboten immer in den Sachbuchabteilungen der Buchgeschäfte. Und 2018 wird es wieder eine Reihe davon geben. Ein besonders wichtiges: Vor 400 Jahren löste ein Fenstersturz in Prag den Dreißigjährigen Krieg aus – ein drei Jahrzehnte währendes Morden, Plündern, Foltern, Vergewaltigen, Brandschatzen, das vor allem die Mitte Europas verwüstete. Wobei die Historiker sich bis heute nicht einig sind: War das ein Konfessionskrieg zwischen Katholiken und Protestanten, ein deutscher Bürgerkrieg oder ein europäischer Staatenbildungskrieg?
Heinz Duchhardt, emeritierter Geschichtsprofessor in Bayreuth und Münster, sieht das so: „Der ,Krieg der Kriege‘ erwuchs aus einem Geflecht von Konflikten zwischen Krone und Ständen, aus konfessionellem Streit, einer verfassungspolitischen Lähmung der Mitte Europas sowie wirtschaftlich-sozialen Kriegen, die auf die Stimmung durchschlugen: Zukunftsängste und Endzeiterwartungen verbreiteten sich überall in Europa.“Duchhardt ist nur einer von mehreren Uniprofessoren, die Beiträge für das neueste Heft „Zeit Geschichte“aus dem Hamburger Zeitverlag beigesteuert haben – Gelehrte von Zürich bis Berlin, von Innsbruck bis Marburg. Es ist dies vermutlich eines der bisher besten Hefte dieser Reihe überhaupt geworden, auf jeden Fall eines der informativsten.
Die Redaktion lässt zwei Professoren darüber streiten, ob der Dreißigjährige Krieg ein Konfessionskrieg oder doch ein machtpolitischer Konflikt war, befasst sich mit zeitgenössischen Literaten wie Grimmelshausen, die das Gemetzel in allen Details beschrieben, und interviewt auch den Starschriftsteller Daniel Kehlmann, der in seinem neuen Roman den Narren „Tyll“in den Dreißigjährigen Krieg schickt. Und welcher Historiker hat Kehlmann dabei besonders inspiriert? Der Literat nennt überraschend die Gesamtdarstellung der englischen Historikerin Cicely Veronica Wedgwood. Als sie ihr Buch 1938 veröffentlichte, durfte sie nur ihre Initialen C.V. anführen, damit niemand merkte, dass eine Frau die Autorin war. Denn als ernsthafte Militärhistoriker gingen damals nur Männer durch. Und natürlich ließ sich Kehlmann auch von Bert Brechts „Mutter Courage“inspirieren.
Das Gemetzel endete 1648 mit dem Westfälischen Frieden – und der Politikwissenschaftler Herfried Münkler meint „bei aller gebotenen Vorsicht“, dass dieser Friedensschluss auch als Lernfall dienen könnte, wie Kriege im Nahen Osten zu beenden seien. Vorsicht, sagt da Geschichtsprofessor Georg Schmidt von der Uni Jena: „1648 gab es auf allen Seiten eine Friedensbereitschaft, jeder durfte mitreden. Wer will denn heute den Islamischen Staat am Verhandlungstisch haben?“Außerdem hätten sich die Parteien 1648 „Amnestie“und „immerwährendes Vergessen“zugesichert. I n Österreich wird 2018 aber wohl der 100. Geburtstag der Republik mehr im Vordergrund stehen als 400 Jahre Dreißigjähriger Krieg. Hier prescht die „Presse“-„Geschichte“vor, mit der mittlerweile siebenten Nummer dieser Reihe, die sich mit Österreichs Weg zur Republik befasst. Der bienenfleißige Haushistoriker Günther Haller hat in diesem Heft gleich sämtliche Beiträge selbst verfasst, für die Produktion zeichnen Tina Stani und Artdirector Matthias Eberhart verantwortlich. Im 122 Seiten starken Heft findet sich eine Fülle von Beiträgen zu allen möglichen Themen. Besonders interessant: die Aufsätze zum Umsturzversuch der Roten Garde im November 1918 und zur Rolle, die die von der Ostfront zurückkehrenden Soldaten im revolutionären Gärungsprozess spielten.