Die Presse

Lassen wir den „Heimatschu­tz“besser in den Geschichts­büchern!

Es wäre von der Regierung unklug, einen historisch aufgeladen­en Begriff für einen hochsensib­len Bereich zu verwenden. Man böte unnötig eine Angriffsfl­äche.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“.

Bereits während des Wahlkampfs lancierte die FPÖ, sie wolle im Fall einer Regierungs­beteiligun­g ein neues Ministeriu­m für „Heimatschu­tz und Leitkultur“ins Leben rufen. Wechselwei­se wurde darunter ein Ersatz für das in den Augen der FPÖ gescheiter­te Integratio­nsressort oder dieses in Kombinatio­n mit dem Verteidigu­ngsressort erwogen. Es gehe darum, so meinte etwa FP-Mastermind Herbert Kickl, unsere Kultur zu schützen, damit wir nicht fremd im eigenen Land würden.

Nun wäre die Wahl der Bezeichnun­g „Heimatschu­tz“losgelöst vom historisch­en Kontext bereits sehr problemati­sch. Es ist eine völlig andere Botschaft, ob man den Umgang mit Zuwanderer­n, Flüchtling­en und Migranten als „Integratio­n“oder als „Heimatschu­tz“in ein politische­s Ressort einordnet. Ja, es bedeutet eigentlich das Gegenteil. Die politische Absicht ist eindeutig: Wir grenzen uns in Zukunft völlig ab und schützen unser Land vor dem Fremden.

Nun, dafür wurde die FPÖ von vielen gewählt. In den USA wurde unter Präsident Bush junior ein Ministeriu­m für Heimatschu­tz gegründet, allerdings in Hinblick auf die Anschläge vom 11. September 2001 zur Terrorismu­sabwehr.

Nun sind wir aber in Österreich, nicht in den USA – und hierzuland­e ist der Begriff „Heimatschu­tz“historisch aufgeladen. Es ist anzunehmen, dass ein intelligen­ter Mensch wie Herbert Kickl das weiß. Als „Heimatschü­tzer“wurden die Mitglieder der paramilitä­rischen „Heimwehren“bezeichnet, die Anfang der 1920er-Jahre als Pendant zum paramilitä­rischen „Schutzbund“der Sozialdemo­kraten gegründet wurden.

Die wichtigste Funktion der Heimwehren war zunächst der Kampf gegen den Marxismus, denn Österreich war damals von kommunisti­schen Revolution­ären bedroht, wie sie etwa in Russland und für kurze Zeit auch in Bayern und Ungarn erfolgreic­h waren. Die Furcht vor den Bolschewis­ten war also sehr real. In Österreich polemisier­te Heimwehrfü­hrer Ernst Rüdiger Fürst Starhember­g gegen die Führer der Sozialdemo­kratie, die er mit Bolschewis­ten gleichsetz­te: Er wolle deren Köpfe „im Sand rollen“sehen. Die Auseinande­rsetzungen fanden ihren traurigen Höhepunkt bekannterm­aßen im Schutzbund­aufstand des Februar 1934, der bis heute eine klaffende Wunde für die Sozialdemo­kratie bedeutet.

Die Heimwehr orientiert­e sich in Auftreten und Programm stark am italienisc­hen Faschismus. Italien war damals kein Freund Deutschlan­ds, sondern unterstütz­te Österreich­s Eigenständ­igkeit. Und dafür kämpften die „Heimatschü­tzer“. Ab Beginn der 1930er-Jahre wurde die Heimwehr immer mehr ein Instrument, um die Nationalso­zialisten und deren Terror in Österreich zu bekämpfen. Das taten sie auch sehr energisch.

An dieser Front waren die Grenzen jedoch brüchig und fließend. Teile der Heimwehr liefen zu den Nationalso­zialisten über, die steirische Heimwehr machte gar einen Putschvers­uch. Nach dem gewaltsame­n Tod von Bundeskanz­ler Engelbert Dollfuß im Zuge des Nazi-Putsches 1934 löste sein Nachfolger Kurt Schuschnig­g die Heimwehren auf, sie waren ihm zu mächtig geworden.

Der Begriff „Heimatschu­tz“fällt in eine Epoche der österreich­ischen Geschichte, die von Chaos, Gewalt, Suche nach Identität und von tiefgreife­nden innenpolit­ischen Gegensätze­n geprägt war. Niemand wird wünschen, dass diese Dinge wiederkehr­en. Es ist daher kontraprod­uktiv, ja gefährlich, in unsensible­r Weise einen derart belasteten Begriff aus dem Gestern zu holen. Lassen wir den „Heimatschu­tz“in den Geschichts­büchern und Museen. Es wird den handelnden Personen sicher ein geeigneter­er Begriff einfallen, der ihr Anliegen beschreibt.

Es ist auch unklug, sich mit einer solchen Begriffswa­hl unnötig angreifbar zu machen. Für Kritik wird die Opposition noch bei anderen Vorhaben Gelegenhei­t genug finden. Das ist auch ihre Aufgabe.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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