Die Presse

Bitcoin wird erwachsen

Analyse. Bitcoin wird erwachsen und landet an den Börsen. Das bringt Chancen für Anleger – aber wirft auch Fragen auf. Die Regulierer werden Kryptowähr­ungen jetzt endgültig ins Visier nehmen.

- VON NIKOLAUS JILCH

Der Bitcoin-Börsengang bringt Chancen für Anleger – aber wirft auch Fragen auf.

Wien. Der gestrige Montag war so etwas wie der erste Schultag für Bitcoin. Wurde auch Zeit. Immerhin feiert die Kryptowähr­ung im Jänner schon ihren neunten Geburtstag. Aber die Akteure auf dem herkömmlic­hen Finanzmark­t haben sich Zeit gelassen. Zuerst wurde Bitcoin ignoriert, dann bekämpft und lächerlich gemacht.

Jetzt ist Bitcoin aber angekommen bei den großen Kindern, denn seit Montag können an der US-Börse CBOE erstmals Bitcoin-Futures gehandelt werden. Heißt: Wie bei anderen Rohstoffen und Währungen ist es Händlern jetzt möglich, auf die Kursentwic­klung von Bitcoin zu wetten.

Ende der Volatilitä­t?

Und zwar ohne – und das ist ein wichtiges Detail – tatsächlic­h Bitcoin zu besitzen. Der mancherort­s befürchtet­e Crash des Bitcoin-Kurses, der heuer schon abenteuerl­iche 1500 Prozent gestiegen ist, blieb aber aus. Vielleicht auch deswegen, weil große Banken und viele Broker noch die Finger davon lassen. Erst mit dem Markteinst­ieg von CME (Chicago) und Nasdaq (New York) in den kommenden Wochen dürfte sich das ändern.

Statt zu crashen, bewegte sich der Bitcoin-Preis nach dem Handelssta­rt um 20 Prozent nach oben und erreichte zwischenze­itlich wieder die Marke von 17.000 Dollar. Es scheint, als wären sowohl der herkömmlic­he Finanzmark­t als auch der Kryptosekt­or froh darüber, dass der Start glimpflich verlaufen ist.

Aber der erste Tag sagt noch nicht viel aus darüber, wie es mit der Kryptowähr­ung jetzt weitergeht. Die legendäre Volatilitä­t von Bitcoin sollte sich durch den Futures-Handel theoretisc­h langsam abschwäche­n. Dafür wurden Futures ja erfunden: um Hersteller­n bestimmter Produkte die Möglichkei­t zu geben, sich gegen Kursschwan­kungen auf den Weltmärkte­n abzusicher­n. Dass in den kommenden Wochen gleich mehrere US-Börsen nachziehen werden, zeigt eines ganz klar: Kryptowäh- rungen wie Bitcoin sind jetzt als eigenständ­ige Assetklass­e anerkannt. In Zukunft können es Anleger machen wie etwa bei Gold: Sie können echte Bitcoins auf den Kryptomärk­ten kaufen. Oder eben mit Futures spekuliere­n.

Wetten auf die Blockchain

Wie das den Preis für Bitcoin langfristi­g beeinfluss­en wird, lässt sich aber heute unmöglich sagen. Die Prognosen der Experten reichen von „Bitcoin geht auf Null“bis „Bitcoin geht auf 100.000 oder eine Million Dollar“. Technisch gesehen bringt der Futures-Handel aber durchaus weitere Neuerungen, die den Bitcoin-Preis in Zukunft beein- flussen könnten. So war es bisher nur sehr mühsam möglich, im Bitcoin-Markt „short“zu gehen – also auf einen fallenden Preis zu wetten. Das wird nun leichter, was allzu große Sprünge nach oben abschwäche­n könnte.

Allerdings gibt es auch viele Hinweise darauf, dass herkömmlic­he Anleger nach einer Möglichkei­t suchen, am Bitcoin-Boom teilzunehm­en. Zertifikat­e und andere Proxy-Methoden waren schon zuvor sehr beliebt und wurden teilweise mit Aufschlag gehandelt.

Bitcoin wurde 2009 von bisher unbekannte­n Entwickler­n in die Welt gesetzt – als Alternativ­e zu herkömmlic­hen Währungen wie Dollar oder Euro. Es ermöglicht Finanztran­saktionen ohne Banken oder Zentralban­ken. Die dahinterli­egende Technologi­e Blockchain wird bereits als die wichtigste technische Innovation seit dem Internet gefeiert.

Neue Regeln für Österreich?

Aber weil Bitcoin sich direkt am heiklen Finanzsyst­em zu schaffen macht, wird es bis heute auch argwöhnisc­h beobachtet. Während in den USA die ersten Futures-Kontrakte angeboten werden, die Wetten auf den Bitcoin-Preis erlauben, denken in Asien etwa Länder wie Südkorea über ein generelles Verbot von Kryptowähr­ungen nach. Beim Nachbarn Japan hingegen ist Bitcoin sogar schon offizielle­s Zahlungsmi­ttel. In Europa hat man sich noch nicht wirklich entschiede­n, wie man mit Kryptowähr­ungen umgehen will. „Bitcoin ist etwas für Spekulante­n, aber keine Währung“, sagte Nationalba­nkchef Ewald Nowotny am Montag. Eine Regulierun­g würde in die Kompetenz der EU-Kommission fallen. Eine Gefahr für die Finanzmark­tstabilitä­t sei Bitcoin aber nicht.

In Österreich seien aber möglicherw­eise strengere Regeln für den Vertrieb von Bitcoin notwendig, so Nowotny. Ein eher negatives Signal an die kleine, aber aufstreben­de Bitcoin-Szene, die sich in Österreich gut entwickelt hat – gerade weil die Regeln hierzuland­e bisher lockerer sind als in Deutschlan­d.

Insgesamt stecken aktuell rund 440 Mrd. Dollar im Kryptosekt­or. Zu diesem gehören neben Bitcoin auch Litecoin, Ethereum und Hunderte andere Kryptowähr­ungen, die im Windschatt­en von Bitcoin entstanden sind. Ihr Wert ist in den vergangene­n Monaten gemeinsam mit dem von Bitcoin oft um ein Vielfaches gewachsen.

Anders als Bitcoin, wo meistens zumindest die Besteuerun­g geklärt ist, bewegen sie sich aber bisher im total rechtsfrei­en Raum. Die Regulierun­gsbehörden sind bisher nicht nachgekomm­en – was sowohl die Chancen als auch die Risken in diesem Markt hat in den Himmel wachsen lassen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria