Bitcoin wird erwachsen
Analyse. Bitcoin wird erwachsen und landet an den Börsen. Das bringt Chancen für Anleger – aber wirft auch Fragen auf. Die Regulierer werden Kryptowährungen jetzt endgültig ins Visier nehmen.
Der Bitcoin-Börsengang bringt Chancen für Anleger – aber wirft auch Fragen auf.
Wien. Der gestrige Montag war so etwas wie der erste Schultag für Bitcoin. Wurde auch Zeit. Immerhin feiert die Kryptowährung im Jänner schon ihren neunten Geburtstag. Aber die Akteure auf dem herkömmlichen Finanzmarkt haben sich Zeit gelassen. Zuerst wurde Bitcoin ignoriert, dann bekämpft und lächerlich gemacht.
Jetzt ist Bitcoin aber angekommen bei den großen Kindern, denn seit Montag können an der US-Börse CBOE erstmals Bitcoin-Futures gehandelt werden. Heißt: Wie bei anderen Rohstoffen und Währungen ist es Händlern jetzt möglich, auf die Kursentwicklung von Bitcoin zu wetten.
Ende der Volatilität?
Und zwar ohne – und das ist ein wichtiges Detail – tatsächlich Bitcoin zu besitzen. Der mancherorts befürchtete Crash des Bitcoin-Kurses, der heuer schon abenteuerliche 1500 Prozent gestiegen ist, blieb aber aus. Vielleicht auch deswegen, weil große Banken und viele Broker noch die Finger davon lassen. Erst mit dem Markteinstieg von CME (Chicago) und Nasdaq (New York) in den kommenden Wochen dürfte sich das ändern.
Statt zu crashen, bewegte sich der Bitcoin-Preis nach dem Handelsstart um 20 Prozent nach oben und erreichte zwischenzeitlich wieder die Marke von 17.000 Dollar. Es scheint, als wären sowohl der herkömmliche Finanzmarkt als auch der Kryptosektor froh darüber, dass der Start glimpflich verlaufen ist.
Aber der erste Tag sagt noch nicht viel aus darüber, wie es mit der Kryptowährung jetzt weitergeht. Die legendäre Volatilität von Bitcoin sollte sich durch den Futures-Handel theoretisch langsam abschwächen. Dafür wurden Futures ja erfunden: um Herstellern bestimmter Produkte die Möglichkeit zu geben, sich gegen Kursschwankungen auf den Weltmärkten abzusichern. Dass in den kommenden Wochen gleich mehrere US-Börsen nachziehen werden, zeigt eines ganz klar: Kryptowäh- rungen wie Bitcoin sind jetzt als eigenständige Assetklasse anerkannt. In Zukunft können es Anleger machen wie etwa bei Gold: Sie können echte Bitcoins auf den Kryptomärkten kaufen. Oder eben mit Futures spekulieren.
Wetten auf die Blockchain
Wie das den Preis für Bitcoin langfristig beeinflussen wird, lässt sich aber heute unmöglich sagen. Die Prognosen der Experten reichen von „Bitcoin geht auf Null“bis „Bitcoin geht auf 100.000 oder eine Million Dollar“. Technisch gesehen bringt der Futures-Handel aber durchaus weitere Neuerungen, die den Bitcoin-Preis in Zukunft beein- flussen könnten. So war es bisher nur sehr mühsam möglich, im Bitcoin-Markt „short“zu gehen – also auf einen fallenden Preis zu wetten. Das wird nun leichter, was allzu große Sprünge nach oben abschwächen könnte.
Allerdings gibt es auch viele Hinweise darauf, dass herkömmliche Anleger nach einer Möglichkeit suchen, am Bitcoin-Boom teilzunehmen. Zertifikate und andere Proxy-Methoden waren schon zuvor sehr beliebt und wurden teilweise mit Aufschlag gehandelt.
Bitcoin wurde 2009 von bisher unbekannten Entwicklern in die Welt gesetzt – als Alternative zu herkömmlichen Währungen wie Dollar oder Euro. Es ermöglicht Finanztransaktionen ohne Banken oder Zentralbanken. Die dahinterliegende Technologie Blockchain wird bereits als die wichtigste technische Innovation seit dem Internet gefeiert.
Neue Regeln für Österreich?
Aber weil Bitcoin sich direkt am heiklen Finanzsystem zu schaffen macht, wird es bis heute auch argwöhnisch beobachtet. Während in den USA die ersten Futures-Kontrakte angeboten werden, die Wetten auf den Bitcoin-Preis erlauben, denken in Asien etwa Länder wie Südkorea über ein generelles Verbot von Kryptowährungen nach. Beim Nachbarn Japan hingegen ist Bitcoin sogar schon offizielles Zahlungsmittel. In Europa hat man sich noch nicht wirklich entschieden, wie man mit Kryptowährungen umgehen will. „Bitcoin ist etwas für Spekulanten, aber keine Währung“, sagte Nationalbankchef Ewald Nowotny am Montag. Eine Regulierung würde in die Kompetenz der EU-Kommission fallen. Eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität sei Bitcoin aber nicht.
In Österreich seien aber möglicherweise strengere Regeln für den Vertrieb von Bitcoin notwendig, so Nowotny. Ein eher negatives Signal an die kleine, aber aufstrebende Bitcoin-Szene, die sich in Österreich gut entwickelt hat – gerade weil die Regeln hierzulande bisher lockerer sind als in Deutschland.
Insgesamt stecken aktuell rund 440 Mrd. Dollar im Kryptosektor. Zu diesem gehören neben Bitcoin auch Litecoin, Ethereum und Hunderte andere Kryptowährungen, die im Windschatten von Bitcoin entstanden sind. Ihr Wert ist in den vergangenen Monaten gemeinsam mit dem von Bitcoin oft um ein Vielfaches gewachsen.
Anders als Bitcoin, wo meistens zumindest die Besteuerung geklärt ist, bewegen sie sich aber bisher im total rechtsfreien Raum. Die Regulierungsbehörden sind bisher nicht nachgekommen – was sowohl die Chancen als auch die Risken in diesem Markt hat in den Himmel wachsen lassen.