Wie Jobbik zu Orb´ans Gefahr wurde
Ungarn. Die Rechts-außen-Partei Jobbik gibt sich gemäßigter als früher und strebt ein Oppositionsbündnis an. Premier Viktor Orb´an versucht sie deshalb gnadenlos zu zerreiben.
Budapest. Ministerpräsident Viktor Orban´ richtet uns und damit die Demokratie zugrunde, teilte kürzlich die Führung einer ungarischen Oppositionspartei sinngemäß mit. Es klang wie so oft. Die Partei, um die es ging, war allerdings die Jobbik, die ab 2006 als rechtsradikale Truppe mit einer eigenen paramilitärischen Miliz in die Schlagzeilen der Medien platzte. Heute jedoch gibt sich Jobbik als unschuldiges Opferlamm auf dem Altar der Demokratie.
Da hat sich also einiges getan. Nach den Wahlen 2014 geschahen zwei Dinge, die heute den politischen Raum Ungarns umgestalten. Erstens überwarf sich Orban´ mit Lajos Simicska, einem schwerreichen Geschäftsmann, der die wirtschaftliche Basis der Partei aufgebaut hatte. Zweitens verkündete Jobbik-Chef Gabor´ Vona, seine Partei in die Mitte der Gesellschaft manövrieren zu wollen. Gemäßigt, modern, konservativ, aber nicht rassistisch. Eine „Volkspartei“.
Beides hing eng zusammen. Bald hieß es hinter den Kulissen, Simicska wolle nun Jobbik unterstützen, gegen Orban.´ Inzwischen sagt er es ganz offen, dass er für die Partei stimmen wird. Es ist immerhin Ungarns zweitgrößte politische Kraft. Seine Medien (er besitzt direkt oder indirekt eine Zeitung, ein Nachrichtenmagazin, ein beliebtes Nachrichtenportal und einen Fernsehsender) geben Jobbik breiten Raum. Der Identitätswechsel bei Jobbik hin zur Mitte mag auch auf seinen Rat oder mit seiner Ermutigung erfolgt sein.
Gemeinsam gegen Orban?´
Es gelingt aber nur begrenzt. Jobbiks Umfragewerte stagnieren. Die rechte bis rassistische Basis hat sich mit dem neuen Kurs nie anfreunden können. Vona umwarb Linke und Liberale, dafür sprangen rechte Sympathisanten ab.
Ein bemerkenswerter Wechsel fand woanders statt. Linke und Liberale sehen in Jobbik trotz deren radikal rechter Wählerschaft plötzlich die Kraft, die sie von Orban´ erlösen kann – dem sie bisher immer vorwarfen, sich nicht genügend von Jobbik zu distanzieren. Sie aber suchen jetzt Jobbiks Nähe. Derweil verteilen Fidesz-Vertreter Aufstellungen der rassistischsten Jobbik-Zitate als Quellenmaterial an Journalisten. Die interessieren sich aber mittlerweile mehr für Jobbik als die Kraft, die Orban´ ablösen könnte. Alle Parteien sollen sich taktisch gegen Orban´ zusammenschließen, so die Dramaturgie.
Der Politologe Gabor´ Török sieht darin Potenzial. Wenn die Linksliberalen und Jobbik bei den Wahlen nächstes Frühjahr zwar kein Bündnis schließen, aber ihre Wähler ermutigen, in jedem Wahlkreis für den jeweils aussichtsreichsten Oppositionskandidaten zu stimmen, dann könne es gelingen, Fidesz um genügend Direktmandate zu bringen und eine erneute Regierungsmehrheit zu verhindern.
Das Problem: Linke, Liberale und Jobbik werden nie miteinander regieren können. Die zersplitterten Linksliberalen hassen einander mehr als sie Orban´ hassen, und sie und Jobbik – das passt gar nicht. Geht Orban,´ kommt das Chaos.
Immerhin aber stellt das Szenario eine potenzielle Gefahr für Orban´ dar. Die regierungsnahe Presse betreibt systematischen Rufmord an Vona.
Es wurde kolportiert, dass Vona schwul sei, dass er sich die Augenbrauen rupft. Orban´ nennt Vona und seine Garde „Bubis“, im Gegensatz zu echten Männern wie ihm selbst. Jobbiks EP-Abgeordneter Bela´ Kovacs wurde passend zum Wahlkampf der Spionage für Russland angeklagt – nachdem die Ermittlungen sich jahrelang hinzogen.
„Ihr arbeitet – sie stehlen“
Jobbik wiederum startete eine aggressive Plakatkampagne auf Werbeflächen, die Simicska gehören. „Ihr arbeitet – sie stehlen“, hieß es da, mit Orban´ und seinen Vertrauten als Gangstervisagen. Die Regierung reagierte mit Anschuldigungen, Simicska biete Jobbik Werbeflächen zum Billigtarif an, was einer illegalen Parteifinanzierung gleichkomme. Nun kam die Rechnung von den Behörden: Um- gerechnet 2,2 Millionen Euro soll Jobbik an Bußgeldern zahlen und an staatlicher Unterstützung verlieren.
Fidesz unschlagbar in Führung
Und so kam es zum eingangs erwähnten Protest der Partei, Orban´ wolle sie in den Ruin treiben. Jobbiks Teilnahme an den Wahlen 2018 sei ohne das Geld fraglich, sagte Vona. In einem TV-Interview sah er in die Kamera und sprach Orban´ direkt an: „Viktor, wir haben keine Angst.“In Budapest erzählt man sich, Orban´ habe Vona persönlich gesagt, er werde ihn fertigmachen. Die Plakatkampagne soll ihm missfallen haben.
Wie dem auch sei: In allen Umfragen liegt Fidesz weiterhin unschlagbar in Führung, eine erneute Zweidrittelmehrheit scheint sich abzuzeichnen. 57 Prozent bei den sicheren Parteiwählern, das ist der neueste Wert. Jobbik hingegen verlor einer Umfrage des RepublikonInstituts zufolge im vergangenen Monat zwei Prozent Zustimmung und liegt nur noch bei 13 Prozent.