Die Presse

Die EU-Visionen des Martin Schulz

Deutschlan­d. Eine schwarz-rote Regierung würde die EU ins Zentrum rücken. Der SPD-Vorstoß für Vereinigte Staaten von Europa geht CDU/CSU jedoch zu weit. Viel zu weit.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Kanzlerin Angela Merkel redet Montagmitt­ag im bereits weihnachtl­ich geschmückt­en KonradAden­auer-Haus viel über die EU, über Frankreich. Am Mittwoch beginnen Gespräche mit der SPD über eine Regierungs­bildung – ein erstes Beschnuppe­rn. Und ihre CDU werde dabei einen „ganz besonderen Schwerpunk­t auf Europa“legen, kündigt die Parteichef­in an. Da gebe es „ein hohes Maß an Gemeinsamk­eiten“mit der SPD (wobei der Teufel im Detail steckt).

Eine stabile Große Koalition, die Europa in Zeiten der geopolitis­chen Wirren stärkt: Das ist die große Erzählung, an der Freunde von Schwarz-Rot in diesen Tagen stricken. Zum Vorschlag von SPDChef Martin Schulz, bis 2025 per Verfassung­svertrag die Vereinigte­n Staaten von Europa zu gründen, sagte Merkel gestern aber – nichts. Dass sie höchst skeptisch ist, hat sie schon davor durchblick­en lassen. Ihr enger Vertrauter Volker Kauder (CDU) sprach gar von einer „Gefahr für die EU“, die von den Visionen des SPD-Chefs ausgehe.

„Nicht über ihn herfallen“

In Bayern schütteln sie den Kopf über Schulz. Das sei „nicht das, was die Mehrheit der Deutschen will“, sagte der künftige Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). Die Umfragen bestätigen das. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) findet Schulz’ Vision zwar „klasse“. Sie komme nur zu früh, viel zu früh. Für die Generation ihrer Enkel wären Vereinigte Staaten von Europa „realistisc­h“.

SPD-Außenminis­ter Sigmar Gabriel rückte zur Ehrenrettu­ng von Schulz aus. Wenn einer neue Ideen habe, sollten nicht gleich alle über ihn herfallen, befand er. „Besser jetzt über eine große Idee debattiere­n, als uns jeden Tag irgend- wie im Klein-Klein verhaken“, so Gabriel, dessen Verhältnis zu Schulz aber angespannt ist und der nun laut „Spiegel“auf das Finanzress­ort schielt. Er wäre dann weiter der mächtigste SPD-Minister. Gabriel dementiert den Bericht heftig.

SPD-Chef Schulz wollte mit seiner Vision – Vereinigte Staaten von Europa – nach eigenen Angaben auch „Reibung“erzeugen. Denn seine Parte leidet an Profilschw­äche. Deshalb steuerte sie ja die Opposition an. Nun überlegt man es sich noch einmal – zum Wohle der EU und Emmanuel Macrons sozusagen. Denn die SPD wähnt sich als Macrons natürliche­r Bündnispar­tner. Bisher fiel nichts vom Glanz des Präsidente­n in Paris auf die SPD ab. Stattdesse­n lasen die Genossen vom Tandem Merkel/Macron, von „Mercron“. Das soll sich ändern. Einen „Europaradi­kalen“nannte Alexander Dobrindt (CSU) den SPD-Chef. „Ja“, schrieb Schulz, er sei „radikal proeuropäi­sch“.

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