Maschinenstürmer und Computergläubige
I ch
denke, eine der zivilisatorischen Herausforderungen, welche das 21. Jahrhundert an uns heranträgt, ist das Balancieren auf dem Grat zwischen engstirniger Ablehnung des Digitalen und seiner naiven Anbetung. Beide Haltungen erscheinen mir Sackgassen, man denke nur einerseits an den Misserfolg der Maschinenstürmer darin, den Siegeszug des mechanischen Webstuhls aufzuhalten, und andererseits an all die niemals eingetretenen Prognosen diverser Zukunftsforscher. Aktuell fiel mir die Meldung über eine Studie der deutschen gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in die Hände, wonach jeder dritte in einem Spital Beschäftigte angab, die Digitalisierung in der Medizin verursache mehr Stress. Der Digitalisierungsfeind würde nun sagen: „Bitte sehr, die Computerisierung gefährdet unsere Gesundheit.“Der Digitalisierungsfan hingegen würde das gestresste Drittel als fortschrittsresistentes Alteisen abtun. Beides halte ich für Unfug, aus persönlicher Erfahrung: In den USA war die Patientenakte meiner Tochter volldigitalisiert, wir konnten jederzeit in erfolgte und anstehende Behandlungen, Impfungen und sonstige Vorgänge Einblick nehmen, und wenn wir einen Termin bei der Kinderärztin hatte, wusste sie auf Knopfdruck, was bisher geschehen war. Nun, in Belgien, ein Rückschritt ins 20. Jahrhundert: Die Kinderärztin hat bloß eine mühselig angelegte und lückenhafte eigene Patientendatei auf ihrem Rechner, bei jedem Termin geht wertvolle Zeit für das Erklären der jüngsten Vorgänge verloren.
Letztlich bedarf es eines bedachten Mittelwegs, und Frankreichs Bildungsminister, Jean-Michel Blanquer, zeigt einen in der heißen Frage auf, was mit Handys in Schulen zu tun ist. Ab dem Schuljahr 2018 müssen alle französischen Schulkinder ihre mobilen Aufmerksamkeitsräuber in Kästen versperren. Sollten sie für den Unterricht nötig oder in Notfällen erforderlich sein, können sie jederzeit hervorgeholt werden. Ein bisschen Augenmaß, ein bisschen Strenge, ein bisschen Pragmatismus: So lässt sich die digitale Allgegenwart meistern.