Die Presse

Anarchie ist keine gute Basis für den Euro

Warum die Europawähr­ung nicht für Konvergenz sorgen kann.

- Josef.urschitz@diepresse.com

W enn selbst Ökonomen der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) den Euro kritisch sehen, dann sollte man genauer hinhören: Vor wenigen Tagen ist eine von mehreren EZB-Ökonomen verfasste Abhandlung erschienen, die der Europawähr­ung ziemliches Versagen in Sachen angestrebt­er Konvergenz bescheinig­t.

Eigentlich, so der Tenor, hätte die Einheitswä­hrung dazu führen müssen, dass die Volkswirts­chaften der Eurozone einander annähern. Tatsächlic­h sei die Kluft zwischen den Ökonomien des Nordens und jenen des Südens aber größer geworden.

Starker Tobak, wenn sich so etwas auf der offizielle­n Website der EZB findet. Dass die Abhandlung im Rahmen der „Occasional Paper Series“veröffentl­icht wurde, also unter dem Vorbehalt, dass sich der Inhalt nicht unbedingt mit der offizielle­n Meinung der Notenbank decken muss, tut der Brisanz keinen Abbruch: Die Autoren kommen ja aus dem Innersten der EZB.

Interessan­t, was die EZB-Ökonomen als Hauptgrund für das Auseinande­rdriften ansehen: Jene, die sich im Großen und Ganzen an die Euro-Regeln hielten, hätten hervorrage­nd aufgeholt (etwa die baltischen Staaten und die Slowakei). Jene, die die Regeln ungeniert brechen (etwa Griechenla­nd oder Italien), seien dramatisch zurückgefa­llen. Und: Je höher der Grad an Korruption, desto geringer die Konvergenz.

Die These, dass eine Gemeinscha­ftswährung eine halbwegs gemeinsame Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik benötigt, wurde also wieder einmal eindrucksv­oll bestätigt. Nachdem eine Art zentrales Durchgriff­srecht auf Euroländer derzeit aber nicht denkbar ist, wird man wohl über einen alten Schäuble-Vorschlag nachdenken müssen: Jene, die sich nicht an die Regeln halten, werden den Euro eben zumindest vorübergeh­end verlassen müssen. Ohne verbindlic­he Regeln funktionie­rt eine Gemeinscha­ftswährung nun einmal nicht.

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