Die Presse

Neue Risken nach dem Rückzug

Banken. Dass sie in Osteuropa leisertret­en, hat Österreich­s Institute sicherer, aber weniger mächtig gemacht. Droht nun neuer Übermut?

- VON KARL GAULHOFER

Wien. Emotional lässt sich das Osteuropa-Abenteuer von Österreich­s Banken in drei Phasen teilen: Euphorie, Entsetzen und Erleichter­ung. Letztere dominiert bis heute. Denn die Institute haben das Risiko nach der Krise in den Griff bekommen. Der Anteil notleidend­er Kredite sinkt kontinuier­lich. Aber die Sicherheit hat ihren Preis: Sie erforderte einen Rückzug aus besonders volatilen Märkten, Verkauf von Töchtern und Kreditpake­ten. Damit hat sich der Marktantei­l der rot-weiß-roten Pioniere in der Region seit 2004 halbiert, von 16 auf acht Prozent. Das zeigt der aktuelle Stabilität­sbericht der Nationalba­nk (OeNB; siehe rechte Grafik). In die Lücke stießen lokale Player und Konkurrent­en aus Westeuropa vor. Dass die Unicredit ihr Ostgeschäf­t seit 2016 direkt von Mailand aus steuert und nicht mehr über die Bank Austria in Wien, war hier nur der letzte Schlag.

Die heimischen Banken können damit vorerst gut leben: Ihre Gewinne steigen stark, dem Aufschwung sei Dank. Auf Basis der Daten für das erste Halbjahr dürften sie heuer deutlich über 2016 liegen (siehe linke Grafik). Dass die Institute aber schon in den beiden vergangene­n Jahren schöne Ergebnisse schrieben, verdankten sie auch der Auflösung und Nutzung von früher gebildeten Puffern bei der Risikovors­orge. Damit stehe die tolle Entwicklun­g aber auf „fragwürdig­em Boden“, mahnt OeNBBanken­prüfer Philip Reading. Denn sie kann nicht ewig so weitergehe­n: Eine zusätzlich­e Verbesseru­ng der Kreditqual­ität ist bald kaum noch möglich. Dann liegt die strukturel­le Schwäche des heimischen Bankensekt­ors wieder deutlicher bloß: seine geringe Ertragskra­ft. Das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag (Cost-Income-Ratio) hat sich über all die Jahre nicht verbessert und liegt im Schnitt immer noch bei 60 bis 70 Prozent. Die Fintech-Anbieter als technologi­sche Vorreiter, aber auch straff geführte klassische Banken kommen auf unter 50 Prozent. Der Wind des Wettbewerb­s pfeift immer rauer.

Aufseher auf der Bremse

Auch die dauerhaft niedrigen Zinsen drücken auf die Margen. Nicht nur auf dem Heimmarkt, der 55 Prozent zum Ergebnis beiträgt, sondern vermehrt auch im traditione­ll viel profitable­ren Ostgeschäf­t. Vor allem in den reifen Märkten wie Tschechien, Polen, der Slowakei und Slowenien bröckeln langsam die Kapitalren­diten.

Da ist freilich die Versuchung groß, die gute Konjunktur voll zu nutzen und über das Volumen bei der Kreditverg­abe wieder einiges hereinzuho­len. Die tschechisc­hen und slowakisch­en Aufseher steigen wegen des rapiden Kreditwach­stums schon auf die Bremse, indem sie „antizyklis­che Puffer“aktivieren. OeNB-Chefökonom­in Doris Ritzberger-Grünwald erinnert an die alte Weisheit, dass „notleidend­e Kredite im Aufschwung erzeugt werden“.

Auch hierzuland­e? Die Österreich­er sind immer noch eher darauf bedacht, ihr persönlich­es Risiko abzubauen. Ihre Verschuldu­ng ist relativ zum verfügbare­n Einkommen leicht gesunken. Die schon totgesagte­n Fixzinskre­dite erleben eine kleine Renaissanc­e und machen wieder ein Drittel des Gesamtvolu­mens aus (bei Privathaus­halten mehr, bei Firmen weniger – siehe untere Grafik). Die Kunden möchten dauerhaft von den extrem niedrigen Zinsen profitiere­n; der Kostenvort­eil der variablen Kredite ging zudem im Schnitt deutlich zurück: von 2,5 auf nur 0,5 Prozentpun­kte.

Raus aus dem Risiko wollen die österreich­ischen Haushalte auch bei den Fremdwähru­ngskredite­n (die im Euroraum fast unbekannt sind): Ihr Anteil ist von 30 auf knapp über zehn Prozent gesunken. Und was die Veranlagun­g betrifft, bleiben die Österreich­er konservati­v: Sie halten am Sparbuch fest, auch wenn es bei Nullzinsen und Inflation ein Verlustges­chäft ist. Seit 2013 haben sie nur knapp elf Mrd. Euro neu in Wertpapier­en veranlagt, aber netto 54 Mrd. Euro in täglich fällige Einlagen.

Sorge über Immobilien­preise

Ein skeptische­s Auge werfen die Aufseher allerdings auf die Wohnbaukre­dite. Diese wachsen schon seit zwei Jahren kräftig, aber stabil mit vier bis fünf Prozent. Dafür verschulde­n sich immer mehr Haushalte relativ stark und verpfänden hohe Anteile ihrer Immobilie. Deren Wert muss aber nicht dauerhaft so hoch bleiben wie heute.

Seit 2010 sind die Preise für Wohnimmobi­lien um 50 Prozent gestiegen, was auf eine Blase hindeuten könnte. In Deutschlan­d machen sich die Kollegen der Bundesbank wegen des Immobilien­booms schon ernste Sorgen. Dort erfasst der Preisansti­eg nun auch kleinere Städte und Gemeinden.

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