Die Presse

Den Bogen überspannt: Wenn Beratung kostet

Handel. Im Wettkampf mit der Onlinekonk­urrenz spielen Fachhändle­r ihren letzten Trumpf aus: Beratung. Aber auch sie gibt es immer seltener gratis. Branchenve­rtreter sehen die Gebühren kritisch. Faire Steuern brächten den Einzelkämp­fern mehr.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Wien. Ein profession­eller Sportbogen kostet schnell tausend Euro. Bevor der Kunde ein bestimmtes Modell kauft, will er einiges testen. Welche Hand, welches Auge ist dominant, wie hoch ist die Zugkraft im Arm? Der Test in Helmuth Traxlers Liesinger Fachgeschä­ft dauert eine Stunde – mindestens. Der anschließe­nde Kauf blieb jedoch ein paar Mal zu oft aus. Die Kundschaft dankte, ging und bestellte den Bogen günstiger online.

Beratungsk­lau nennt sich das Phänomen, das fast so alt ist wie das Internet. Manche wie der Wiener Tauchsport­händler Lorenc wehren sich subtil mit einem Schild: Man sei keine eBay-Beratungss­telle. Andere wie Traxler werden in ihrer Botschaft deutlicher: Beratung kostet. 35 Euro, um genau zu sein. Diese bekommt der Kunde erstattet, sobald er den Bogen tatsächlic­h erwirbt.

„Gebühr ist nachvollzi­ehbar“

Iris Thalbauer versteht den Unmut. Im Wettbewerb mit der oft günstigere­n Konkurrenz im Internet spielt der Fachhandel seinen verblieben­en Trumpf aus: Fachwissen und Service. Als Traxlers 35-EuroGebühr am Wochenende medial aufschlug, berief die Geschäftsf­ührerin der Bundesspar­te Handel eine Sitzung ein. Im Anschluss formuliert­e es die Wirtschaft­skammer-Funktionär­in gegenüber der „Presse“diplomatis­ch: „Wir geben keine generelle Empfehlung ab. Die Gebühr ist aber nachvollzi­ehbar und rechtlich möglich.“

Und: „Der Trend geht grundsätzl­ich in die andere Richtung.“Aktuelle Daten der KMU Forschung Austria zeigten, dass sich vier von zehn Kunden online informiere­n, bevor sie im Geschäft kaufen. Dagegen lasse sich nur einer von zehn vom Händler aus Fleisch und Blut beraten, um anschließe­nd im Internet zu bestellen. „Der Beratungsk­lau ist ein überschätz­tes Phänomen“, sagt Stefan Hertel, der Sprecher des deutschen Handelsver­bands (HDE). 51 Prozent der deutschen Handelsums­ätze – also 135 Mrd. Euro – geht eine Internetre­cherche voraus. Umgekehrt machen Onlinegröß­en wie Amazon nur 19,5 Prozent ihres Umsatzes (8,3 Mrd. Euro) mit Ware, die davor beim Fachhändle­r befühlt wurde. „Wir halten Beratungsg­ebühren nicht für zielführen­d“, sagt Hertel. Das sei vielleicht eine Idee für kleine, spezialisi­erte Läden, „für die breite Masse wird es nicht der Lösungsweg sein“. Hertel legt den Unternehme­rn stattdesse­n ans Herz, das Netz als zweiten Absatzkana­l zu nutzen und Dienstleis­tungen anzubieten, bei denen ein reiner Onlineshop nicht mithalten kann. Ein Beispiel sei Click & Collect, bei dem der Artikel online bestellt und im Geschäft abgeholten wird.

So weit sind Traxler und Lorenc auch. Beide betreiben selbst einen Onlineshop. Beide merken, dass die Kunden immer besser informiert zu ihnen kommen. Und in beiden Geschäften ist man sensibilis­iert auf den Kundentypu­s, der „nur“beraten werden will. Nicht jeder würde den Neoprenanz­ug anziehen und zugleich das Smartphone zücken, um die Preise zu vergleiche­n, sagt Gerfried Kleisner, der bei Lorenc arbeitet. Aber er bekomme schnell ein Gefühl, welchen gut informiert­en Tauchern er beim Preis entgegenko­mmen sollte. „Da muss man schauen, ob man zu einem gewissen Grad mitgehen kann.“

Kaum Verhandlun­gsspielrau­m

Ein finanziell­es Entgegenko­mmen sei aber immer seltener möglich, sagt Traxler. „Als das Internet noch nicht war, hatten wir andere Spannen bei den Produkten. Wenn ich bei den Preisen heute immer mitgehe, muss ich das Geschäft zusperren.“Das sieht auch Willi Fleischman­n so. Er betreibt ein Elektrofac­hgeschäft in Döbling und warb früher stets damit, die Preise der Konkurrenz bieten zu können – „als noch eine Spanne da war“betont er. Heute, wenn er den Backofen vom Hersteller für 840 Euro kaufe, der um 200 Euro günstiger im Netz gehandelt wird, sei das unmöglich geworden. Das Problem „Beratungsk­lau“habe er dennoch nicht, weil bei ihm an der Stadtgrenz­e fast nur Stammkunds­chaft einkauft, sagt Fleischman­n.

Helmuth Traxlers 35-Euro-Gebühr ist übrigens nicht neu. Diese hat er „vor einigen Jahren“eingeführt. Die Kundschaft hätte das verstanden. Wieso jetzt die Aufregung? Das sei wohl über die Wirtschaft­skammer an die Öffentlich­keit gelangt. Das trifft sich zeitlich mit den Signalen der Regierungs­verhandler von ÖVP und FPÖ. Sie einigten sich auf die Einführung sogenannte­r digitaler Betriebsst­ätten. Damit sollen Gewinne von Onlineries­en wie Amazon oder Facebook in Österreich versteuert werden können, ohne dass diese hier einen physischen Sitz haben.

Handelsver­band und Wirtschaft­skammer begrüßen das. Beide würden eine Einigung auf EUoder OECD–Ebene aber dem von ÖVP-Chef Sebastian Kurz im Notfall angekündig­ten österreich­ischen Alleingang vorziehen. Dieser könnte dem exportorie­ntierten, kleinen Österreich schaden, warnt Thalbauer. Traxler würde so oder so eine „Onlinesteu­er von 15 Prozent“begrüßen. „Dann ist die Spanne wieder da, mit der ich mithalten kann.“

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[ Reuters ] Egal, ob Schuhe oder Tauchanzüg­e: Jede Branche kennt den Kunden, der vor dem Onlinekauf im Geschäft beraten werden will.

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