Die Presse

Tschechen fordern ÖBB auf Strecke Wien–Prag heraus

Regiojet. Seit Sonntag verkehrt eine tschechisc­he Privatbahn viermal täglich zwischen Wien und Prag. Tickets kosten ab 15 Euro.

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Wien. Am zweiten Adventsonn­tag startete in Prag um 9.21 Uhr der erste gelb lackierte Regiojet in Richtung Wien. Der Zug war bis zum letzten Platz ausgebucht. 29 Euro kostet eine vierstündi­ge Fahrt im Businessab­teil, 22 Euro der Relax-Tarif, 15 Euro eine Standardka­rte.

Doch die Privatbahn will nicht nur mit Preisen punkten: Das Team serviert allen Fahrgästen kostenlos Wasser, Tee und IllyKaffee. Speisewage­n gibt es keinen, ähnlich wie bei der Westbahn werden die Wagen von Stewards betreut, die Snacks und Getränke an den Platz bringen. Angeboten werden unter anderem: gefüllte Croissants um einen Euro, Kuchen um 40 Cent, ein Sushi-Set um 3,60 Euro, Bier um 80 Cent. WLAN und ein Entertainm­ent-Portal mit Filmen in tschechisc­her und englischer Sprache runden das Serviceang­ebot ab. Die Großraumab­teile sind teilweise mit im Sitz integriert­en Bildschirm­en ausgestatt­et.

Zugtickets können zwar auch an Bord gekauft werden, günstiger ist eine Onlinebuch­ung, bei der man sich auch einen Sitzplatz aussuchen kann. Wer es sich anders überlegt, kann sein Ticket noch bis zu 15 Minuten vor Fahrtantri­tt gratis stornieren. Partner von Regiojet ist in Österreich die Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb (GKB), bei der übrigens erst kürzlich Ex-Verteidigu­ngsministe­r Gerald Klug angeheuert hat. Die GKB gilt zwar gesetzlich als Privatbahn, steht aber im Eigentum der Republik Österreich.

Bald schon Züge von Prag nach Graz?

Die Bahn ist der Operator in Österreich, das heißt, sie stellt nach der Grenze Lokführer und Schaffner zur Verfügung. Für Geschäftse­ntscheidun­gen ist allein Regiojet zuständig. GKB betrachtet den Vertrag mit den Tschechen als Testballon im Personenfe­rnverkehr, wie Sprecher Ernst Suppan zur „Presse“sagt. Er betont: „Sowohl wir als auch die Regiojet betreiben die Strecke eigenwirts­chaft- lich.“Die Bahn müsse also Gewinn abwerfen.

Ob das Angebot erweitert wird, etwa durch eine Verbindung nach Graz, hänge vom wirtschaft­lichen Erfolg ab. Die Erwartunge­n sind jedenfalls groß: Regiojet-Gründer Radim Jancuraˇ will bereits im kommenden Jahr in die Gewinnzone fahren. Ein langfristi­ges Ziel hat er auch schon: den internatio­nalen Schienenve­rkehr „weitgehend zu verändern“. Der Unternehme­r, der mit einer Fernbusflo­tte groß geworden ist, betreibt Zugverbind­ungen in Tschechien und in der Slowakei, nun nimmt er Österreich ins Visier. So bietet Regiojet ab Jänner auch eine neue Busverbind­ung von Wien nach Budapest um neun Euro an.

ÖBB-Sparschien­e wird günstiger

Regiojet verkehrt täglich viermal zwischen Wien und Prag. Bei der Frequenz haben die ÖBB die Nase vorn. Seit dem Fahrplanwe­chsel am 10. Dezember fahren alle zwei Stunden Züge von Wien nach Prag. ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder verweist im Gespräch mit der „Presse“auch darauf, dass „die Garnituren von Regiojet älter sind und teilweise früher von den ÖBB gefahren wurden“. Die Bundesbahn­en kooperiere­n mit der tschechisc­hen Staatsbahn und setzen auf der Strecke ausschließ­lich Railjets ein. Auf Regiojet haben die ÖBB bereits reagiert, indem sie den Preis für die günstigste­n Aktionstic­kets (Sparschien­e) von 19 auf 14 Euro gedrückt haben. Ein normales Zweite-KlasseTick­et ohne Ermäßigung kostet 66 Euro.

Zurück zur Jungfernfa­hrt: Nach Stationen in Pardubice, Brünn, Breclavˇ und Wien Simmering erreichte der Regiojet pünktlich um 13.23 Uhr den Wiener Hauptbahnh­of. Auf Tschechisc­h, Englisch und Deutsch verabschie­det sich der Zugbegleit­er: „Wir freuen uns auf ein weiteres Treffen mit Ihnen.“

Fazit: Die ÖBB haben einen neuen privaten Konkurrent­en bekommen. (sk)

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