Die Presse

Nein, der Satan wird im Vaterunser nicht aktiv

Theologie. Papst Franziskus hat vorgeschla­gen, einen Satz aus dem Gebet Jesu zu ändern. Doch die gängige Version gibt den griechisch­en Text gut wieder. Und um die theologisc­he Zumutung kommt man nicht herum.

- VON THOMAS KRAMAR

Bei der Redaktion des Vaterunser habe sich offenbar die Innung der Bäcker gegen jene der Weinbauern durchgeset­zt, scherzte Toni Faber, der leutselige Dompfarrer von St. Stephan, unlängst bei einer Weintaufe im Wiener Lokal Panigl: So sei in diesem Gebet vom täglichen Brot die Rede und nicht vom täglichen Wein . . .

Danach sprachen freilich alle Gäste, ob mehr oder weniger fromm, das Gebet, das uns der Herr gelehrt hat. Und zwar unisono: Hier gibt es – anders als im Glaubensbe­kenntnis, wo die Katholiken sich zur „heiligen katholisch­en Kirche“bekennen und die Protestant­en zur „heiligen christlich­en Kirche“– keine Unterschie­de im Wortlaut zwischen den Konfession­en.

Natürlich gibt es immer wieder kleine Änderungen, auch rhythmisch relevante, etwa von „geheiliget“auf „geheiligt“. Und wer weiß, wie lange sich die heute schwer verständli­chen „Schuldiger“noch halten. In einer beeindruck­enden, derzeit im Salzburger Museum der Moderne gezeigten Installati­on von Norbert Brunner und Michael Schuster kann man in Tonbandauf­nahmen aus Nord- und Südtiroler Gemeinden aus den Jahren 1979 und 1999 hören, wie dort das Vaterunser gebetet wurde. Und etwa entdecken, dass man in St. Franz im Fersental 1979 noch „Erlöse uns von dem Übel“sagte. (Bei der Aufnahme 1999 sprach man das Vaterunser dort auf Italienisc­h.)

Und wie war das mit Abraham?

Doch die gemeinsame­n Worte sind für Gläubige wichtig, und so mag etliche irritiert haben, was Papst Franziskus im italienisc­hen TV gesagt hat: „Führe uns nicht in Versuchung“, sei keine gute Übersetzun­g, besser wäre „Lass uns nicht in Versuchung geraten“. Denn es sei „nicht Gott, der den Menschen in Versuchung stürzt, um dann zuzusehen, wie er fällt. Ein Vater tut so etwas nicht; ein Vater hilft, sofort wieder aufzustehe­n. Wer dich in Versuchung führt, ist Satan.“

Dieses quasi manichäisc­he Argument, das die alte Theodizeef­rage neu aufrührt, ist theologisc­h zumindest diskutabel. Besonders scharf kritisiert­e es die „FAZ“unter dem Titel „Heilige Einfalt“. „Wer noch nicht abgefallen ist, der mag jetzt versucht sein, es zu tun: nicht vom Glauben, aber von dem an die Weisheit seines höchsten Repräsenta­nten“, schreibt Jürgen Kaube und fragt: „Wie möchte Papst Franziskus die Geschichte mit dem Baum der Erkenntnis von Gut und Böse verstehen, von dessen Früchten zu essen Gott dem ersten Paar, jenem ersten ,uns‘, verbot? Lag in diesem Verbot keine Versuchung? Wer hat Abraham befohlen, seinen Sohn Isaak zu opfern? Auch der Satan?“

Zu seinen Aussagen inspiriert wurde Franziskus wohl durch die französisc­hspra- chigen Bischöfe. Sie haben bereits im Juni eine Modifikati­on des „Notreˆ P`ere“beschlosse­n, die seit dem ersten Adventsonn­tag in Kraft ist. Statt „Et ne nous soumets pas a` la tentation“beten die Katholiken nun „Et ne nous laisse pas entrer en tentation“, also: Lass uns nicht in Versuchung treten. Hier wird also das Bild eines Gottes, der uns aktiv Versuchung­en aussetzt, ersetzt durch eines, in dem er die Versuchung nur zulässt, ungefähr wie im „Faust“, wo er Mephisto erlaubt, den Herrn Doktor „meine Straße sacht zu führen“. Allerdings: Das Wort „soumettre“klingt schärfer als z. B. das deutsche „führen“, es bedeutet auch Unterwerfu­ng.

Die Versuchung Jesu in der Wüste

Man könne, ja: müsse die Worte im Vaterunser so erklären, „dass das Gottesbild nicht verdunkelt wird“, sagte dazu der Regensburg­er Bischof, Rudolf Voderholze­r. Doch er warnte vor einer „Verfälschu­ng der Worte Jesu“. Auch Jesuitenpa­ter Klaus Mertes plädierte gegen Veränderun­g des Gebetes. Die gängige Übersetzun­g entspreche dem griechisch­en Text und dem Gottesbild im Neuen Testament. So werde in allen drei synoptisch­en Evangelien (Markus, Matthäus, Lukas) Jesus „vom Geist in die Wüste geführt, damit er dort versucht wird“, gemeint sei der Geist Gottes.

Auf Altgriechi­sch heißt die Zeile: „kai me eisenenkes hemas eis peirasmon“, das Wort „peirasmos“wurde z. B. von Luther an manchen Stellen (etwa im Vaterunser) als Versu-

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