Melancholie im Rokokozuckerguss
Staatsoper. Krassimira Stoyanova feierte ihr Debüt als Marschallin im „Rosenkavalier“Nummer 999 im Haus am Ring. Publikum und jugendfrisches Ensemble feierten mit ihr.
In Wien in der beliebtesten aller Opern von Richard Strauss zu debütieren, ist keine leichte Aufgabe. Kammersängerin Krassimira Stoyanova wagte sich an den 999. „Rosenkavalier“der Staatsoper. In der altgewohnten Otto-Schenk-Inszenierung, in der mehr als ein Drittel aller Wiener Aufführungen dieses Werks über die Bühne gegangen sind, schien die neue Feldmarschallin allerdings erst nach und nach zum Leben zu erwachen.
Inmitten des Zuckergussarrangements wirkt sie anfangs seltsam fremd. Erstmals erprobt in der Harry-Kupfer-Produktion der Salzburger Festspiele, ist diese Feldmarschallin keine temperamentvolle Lebefrau, eher eine genießerische Philosophin. Ihr melancholisches „Memento mori“hängt wie ein Damoklesschwert über dem ganzen ersten Akt.
Die nötige Süße kommt von dem an ihrer Seite leuchtenden Mezzo Stephanie Houtzeel. Mit einem anderen Octavian würde Stoyanovas Interpretation vielleicht zu schwer wirken, doch Houtzeel interpretiert ihn als jugendlich-zarten Kavalier und unendlich liebevoll, weniger als testosteronschwangeren Haudegen.
Stimmlich und darstellerisch komplementieren Stoyanova und Houtzeel einander, die Schwermut der Marschallin lässt sich vom ungestümen Optimismus Octavians in Schach halten. Ohne den Kon- trast zweier reicher Stimmen bliebe der komödiantische Aspekt des ersten Akts wirkungslos.
Hier kommt der Ochs auf Lerchenau ins Spiel: Peter Rose brilliert nicht zum ersten Mal mit seinem solid in die Tiefe lotenden Bass. Die sensationelle Darstellung des alternden Lüstlings ist der Motor des Abends, wirkt trotz grotesker Momente nie seicht. Der begeisterte Applaus am Ende des Mittelaktes ist verdient, schaffen es doch nicht alle Sänger an diesem Staatsopernabend, die Dominanz des üppigen Orchesters unter A´da´m Fischer zu brechen.
Ein weiterer Gewinn: Adrian Eröd, für den erkrankten Jochen Schmeckenbecher eingesprungen, inszeniert den Herrn von Faninal als von Aufstiegsehrgeiz getriebenen Vater, der dem – auch von Jungfer Marianne, Regine Hangler, nicht zu bremsenden – pubertären Trotz seiner Tochter Sophie, Erin Morley, wenig Autorität entgegenzusetzen hat. Morleys Sopran versprüht den nötigen Jungmädchencharme für die Partie und macht mit sicheren Höhen auf sich aufmerksam.
Sieg jugendlicher Harmonie
Thomas Ebenstein und Ulrike Helzel verkörpern das italienische Intrigantenpaar Valzacchi und Annina mit dem nötigen Schuss Verruchtheit. Überhaupt wirkt das Ensemble des Hauses in gewohnter Qualität und in so großer Zahl, dass sich hie und da die Hauptfiguren in seiner Mitte zu verlieren scheinen.
Im fulminanten Schlussterzett zeigt sich freilich unmissverständlich, welches Paar stimmlich zusammengehört: Die Jugend siegt, die Marschallin, voll erblüht, zieht sich zurück. Im dritten Akt scheint Stoyanova die Rolle in all ihrer Vielschichtigkeit wie angegossen zu passen. Großer Schlussapplaus.