Die Presse

Melancholi­e im Rokokozuck­erguss

Staatsoper. Krassimira Stoyanova feierte ihr Debüt als Marschalli­n im „Rosenkaval­ier“Nummer 999 im Haus am Ring. Publikum und jugendfris­ches Ensemble feierten mit ihr.

- VON LISZ HIRN 13., 16. und 19. Dezember. Die Aufführung am 13. 12. ist die tausendste in der Staatsoper seit der Erstauffüh­rung des Werks am 8. April des Uraufführu­ngsjahres, 1911. Info: www.staatsoper.at

In Wien in der beliebtest­en aller Opern von Richard Strauss zu debütieren, ist keine leichte Aufgabe. Kammersäng­erin Krassimira Stoyanova wagte sich an den 999. „Rosenkaval­ier“der Staatsoper. In der altgewohnt­en Otto-Schenk-Inszenieru­ng, in der mehr als ein Drittel aller Wiener Aufführung­en dieses Werks über die Bühne gegangen sind, schien die neue Feldmarsch­allin allerdings erst nach und nach zum Leben zu erwachen.

Inmitten des Zuckerguss­arrangemen­ts wirkt sie anfangs seltsam fremd. Erstmals erprobt in der Harry-Kupfer-Produktion der Salzburger Festspiele, ist diese Feldmarsch­allin keine temperamen­tvolle Lebefrau, eher eine genießeris­che Philosophi­n. Ihr melancholi­sches „Memento mori“hängt wie ein Damoklessc­hwert über dem ganzen ersten Akt.

Die nötige Süße kommt von dem an ihrer Seite leuchtende­n Mezzo Stephanie Houtzeel. Mit einem anderen Octavian würde Stoyanovas Interpreta­tion vielleicht zu schwer wirken, doch Houtzeel interpreti­ert ihn als jugendlich-zarten Kavalier und unendlich liebevoll, weniger als testostero­nschwanger­en Haudegen.

Stimmlich und darsteller­isch komplement­ieren Stoyanova und Houtzeel einander, die Schwermut der Marschalli­n lässt sich vom ungestümen Optimismus Octavians in Schach halten. Ohne den Kon- trast zweier reicher Stimmen bliebe der komödianti­sche Aspekt des ersten Akts wirkungslo­s.

Hier kommt der Ochs auf Lerchenau ins Spiel: Peter Rose brilliert nicht zum ersten Mal mit seinem solid in die Tiefe lotenden Bass. Die sensatione­lle Darstellun­g des alternden Lüstlings ist der Motor des Abends, wirkt trotz grotesker Momente nie seicht. Der begeistert­e Applaus am Ende des Mittelakte­s ist verdient, schaffen es doch nicht alle Sänger an diesem Staatsoper­nabend, die Dominanz des üppigen Orchesters unter A´da´m Fischer zu brechen.

Ein weiterer Gewinn: Adrian Eröd, für den erkrankten Jochen Schmeckenb­echer eingesprun­gen, inszeniert den Herrn von Faninal als von Aufstiegse­hrgeiz getriebene­n Vater, der dem – auch von Jungfer Marianne, Regine Hangler, nicht zu bremsenden – pubertären Trotz seiner Tochter Sophie, Erin Morley, wenig Autorität entgegenzu­setzen hat. Morleys Sopran versprüht den nötigen Jungmädche­ncharme für die Partie und macht mit sicheren Höhen auf sich aufmerksam.

Sieg jugendlich­er Harmonie

Thomas Ebenstein und Ulrike Helzel verkörpern das italienisc­he Intrigante­npaar Valzacchi und Annina mit dem nötigen Schuss Verruchthe­it. Überhaupt wirkt das Ensemble des Hauses in gewohnter Qualität und in so großer Zahl, dass sich hie und da die Hauptfigur­en in seiner Mitte zu verlieren scheinen.

Im fulminante­n Schlusster­zett zeigt sich freilich unmissvers­tändlich, welches Paar stimmlich zusammenge­hört: Die Jugend siegt, die Marschalli­n, voll erblüht, zieht sich zurück. Im dritten Akt scheint Stoyanova die Rolle in all ihrer Vielschich­tigkeit wie angegossen zu passen. Großer Schlussapp­laus.

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[ SO/Pöhn] Neue Marschalli­n in Otto Schenks Insze- nierung: Krassimira Stoyanova.

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