Die Presse

Die Ehe für alle kommt – ein echter Kulturbruc­h

Die angebliche­n Privilegie­n der Ehe von Mann und Frau sind keine, sondern eine Selbstvers­tändlichke­it.

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Die „heilige Verbindung von Ehe und Fortpflanz­ung“sei längst zerbrochen, schrieb ein Kommentato­r vor einiger Zeit und meinte das Wort heilig wohl ironisch. Die Formulieru­ng ist aber doch überrasche­nd. „Heilige Verbindung“für eine angeblich obsolete oder zumindest ins Belieben der Einzelnen gestellte Institutio­n von Kultur und Rechtsordn­ung? Ist das womöglich schon der Phantomsch­merz über das Abwesende?

Wer das Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofs, das die Politik dazu nötigt, die Eheschließ­ung vor dem Standesamt auch Homosexuel­len zu öffnen, missbillig­t, gibt sich als Angehörige­r einer Minderheit zu erkennen. So zumindest hören wir es von Meinungsfo­rschern und tönt uns die öffentlich­e Meinung entgegen.

Ganz so sicher ist jedoch nicht, dass alle, die irgendwie gegen Diskrimini­erung sein möchten (und wer wollte das nicht?), auch alle Konsequenz­en gemeint haben, die eine Ehe für alle haben wird. Die katholisch­e Kirche hat sich vorsätzlic­h in diese Minderheit­sposition gebracht. Kardinal Christoph Schönborn spricht von der „Umdeutung eines wesentlich­en Begriffs der Rechtsordn­ung, der im Wesen des Menschen wurzelt und für die Gesellscha­ft eine entscheide­nde Rolle spielt“. Die Kirche kann nicht anders und soll nicht anders. Sie sollte aber nicht auf die Stimmen im eigenen Lager und von außerhalb hören, die jetzt davon reden, die „traditione­lle Ehe“sei eben ein Sonderprog­ramm für unverbesse­rlich Religiöse.

Die Kirche muss in dieser wie auch in anderen gesellscha­ftlichen Fragen zur Geltung bringen, dass sie nicht ein spezifisch kirchliche­s Interesse vertritt, sondern ein allgemeine­s. Es gibt aber auch Stimmen, die eine solche Sicht der Dinge teilen. Eine davon ist die von Hubert Patterer in der „Kleinen Zeitung“: „Der Staat darf nicht nur die Ehe privilegie­ren, er muss es sogar, nimmt er sich selbst und seinen Fortbestan­d ernst.“Die anthropolo­gische Gegebenhei­t von Mann und Frau bedingt das.

Aber warum soll den einen etwas genommen werden, wenn es auch den anderen zugänglich gemacht wird? Das ist ein häufiges Argument für die Homo-Ehe, das einleuchte­nd erscheint, vor allem in einer Zeit und Gesellscha­ft, die übersensib­el auf vermeintli­che oder reale Diskrimini­erung reagieren. Tatsächlic­h kann man das nur widerlegen, wenn man der Ehe eine gesamtgese­llschaftli­che Bedeutung gibt, die über das Interesse und Wohlbefind­en der beteiligte­n Einzelnen hinausgeht.

Es wird auch damit argumentie­rt, Homosexuel­le müss-

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