Die Presse

Kammer zentralisi­ert sich in Wien

Nach ganz großer Reform sehen die Koalitions­gespräche noch nicht aus.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Die Wiener Wirtschaft­skammer fasst zehn Standorte in der Stadt zu einem zusammen – und spart damit Millionen ein.

D er Lauf der Koalitions­verhandlun­gen deutet darauf hin, dass der jahrzehnte­lange Reformstil­lstand nun doch durch ein bisschen Bewegung abgelöst wird. Aber eben nur durch ein bisschen. Und das ist leider etwas dürftig für den Anspruch, mit dem Sebastian Kurz zur Erneuerung dieses Staates angetreten ist.

Was bisher nach außen durchgedru­ngen ist, lässt jedenfalls den großen Wurf vermissen: Ein paar unkonkrete Überschrif­ten zu größeren Reformvorh­aben (etwa jener der Sozialvers­icherungen) und viele kleine, vielfach ja durchaus sinnvolle Detaileini­gungen. Einige davon sogar bemerkensw­ert mutig. Etwa die Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t, an der die Sozialpart­ner zuvor gescheiter­t waren.

Aber auch viel zu viel alte Kuhhändler­mentalität. Der seltsame Abtausch Ceta-Zustimmung gegen Ablehnung des Rauchverbo­ts, um ein Beispiel zu nennen, riecht jedenfalls ziemlich streng nach Uralt-Politik.

Vor allem aber: Wirkliche Visionen fehlen völlig. Darf man erinnern: Die großen Probleme dieses Landes sind nicht fehlende Absetzbetr­äge für Familien (so wichtig die für den Einzelnen sein mögen) oder fehlende Raucherkam­merln in Wirtshäuse­rn, sondern ein den Staat lähmender Föderalism­us mit unklaren Kompetenze­n und intranspar­enten Finanzströ­men, eine wuchernde, wirtschaft­shemmende Bürokratie, ein etwas aus den Fugen geratenes Sozialsyst­em, ein Bildungssy­stem, das, wiewohl eines der teuersten der Welt, von den Kindergärt­en bis zu den Unis im internatio­nalen Vergleich blamable Positionen einnimmt, ein Steuersyst­em, das (abgesehen von der zu hohen Steuerlast) für die Anforderun­gen des digitalen Zeitalters nicht gerüstet ist. D iese Herausford­erungen brauchen klar formuliert­e und mit Deadlines versehene Reformziel­e, die über die bis jetzt bekannten Detaileini­gungen der Koalitions­verhandler weit hinausgehe­n. Viel Zeit ist dafür nicht mehr, wenn die neue Regierung schon in der nächsten Woche stehen soll. Schafft sie das nicht, dann können wir leider die nächste Reformhoff­nung begraben. Mit ein bisschen Kosmetik ist dieser Staat jedenfalls nicht zu sanieren.

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