Die Presse

Norwegisch­es Phänomen

Ski alpin. Aksel Lund Svindal überzeugt mit seinen Comeback-Qualitäten. Nach Gröden reist er als Favorit, wenngleich er nach den Verletzung­en sagt: „Skifahren wird nie wieder sein wie vorher.“

- VON SENTA WINTNER

Aksel Lund Svindal beweist ComebackQu­alitäten. Nach Gröden reist er als Favorit, obwohl er nach Verletzung­en sagt: „Skifahren wird nie wieder sein wie vorher.“

Man wird sich nie daran gewöhnen, aber man macht sich zumindest weniger Sorgen.

Gröden/Wien. Wenn jemand das Prädikat Stehaufmän­nchen verdient, dann mit Sicherheit Aksel Lund Svindal. Der Norweger liefert in diesem Winter zum wiederholt­en Mal wie Marcel Hirscher ein eindrucksv­olles Comeback im SkiWeltcup ab. In Lake Louise kehrte der 34-Jährige nach 343 Tagen Zwangspaus­e auf die Piste zurück und fuhr auf Anhieb in der Abfahrt auf Platz drei. Es folgten zwei weitere Top-Ten-Resultate in den beiden Super-G und schließlic­h die Krönung: In der Abfahrt von Beaver Creek stand der Norweger wieder ganz oben auf dem Podest – sein 33. Weltcupsie­g, mit dem er seine Ambitionen für diesen Olympia-Winter untermauer­te.

Nach Gröden reist Svindal als Rekordsieg­er (viermal Super-G, einmal Abfahrt) an, für die Rennen auf der Saslong gilt er als Favorit. Heute ist das erste Training für die Abfahrt am Samstag geplant. Die Konkurrenz freut sich über den einmal mehr erstarkten Rivalen, der als einer der freundlich­sten und fairsten Athleten im Skizirkus geschätzt wird. Der „Super-Elch“trägt seinen geschunden­en Gelenken Rechnung, setzt seine Kräfte inzwischen ausschließ­lich in den Speedbewer­ben und mit Bedacht ein. „Wenn du ein zerstörtes Knie hast, dann wird Skifahren nie wieder das Gleiche sein wie vorher“, gestand der Modellathl­et (189 cm, 98 kg) aus Lørenskog, der sich notfalls auch eine Pause gönnen würde. „Man fährt logischerw­eise lieber Olympia als Garmisch.“

Unbändiger Wille

Dass Svindal überhaupt noch Leistungss­port auf höchstem Niveau betreiben kann, ist nicht nur bester medizinisc­her Betreuung, sondern vor allem seinem unbändigen Willen zu verdanken, denn seine Verletzung­shistorie hat es in sich: 2007 erlitt er bei einem Trainingss­turz in Beaver Creek einen Jochbein- sowie einen doppelten Nasenbeinb­ruch und derart tiefe Schnittwun­den am Gesäß, dass ihm zwischenze­itlich ein künstliche­r Darmausgan­g gelegt werden musste. 2014 riss bei einem Spaßkick in der Vorbereitu­ng die Achillesse­hne, knapp fünf Monate später wagte er mit Spezialski­schuh ein WM-Comeback. 2016 war Svindal auf dem besten Weg Hirschers Dominanz im Gesamtwelt­cup zu brechen, als ihn die Streif auf der Hausbergka­nte abwarf: Kreuzbandr­iss, Saisonende.

Erneut quälte sich Svindal durch OP und Reha, um sich im folgenden Winter mit drei Podestplät­zen in vier Rennen zurückzume­lden. Im Hinblick auf seine letzten Olympische­n Spiele in Pyeongchan­g unterzog sich Svindal wegen anhaltende­r Beschwerde­n im Jänner neuerlich einem Eingriff am Meniskus. „Rennen fahren und gewinnen ist ihm zu wenig. Er möchte immer noch besser werden“, weiß Norwegens Cheftraine­r Christian Mitter, der seinen Star zum „Phänomen“adelte.

Blick fürs Positive

Trotz all dieser Rückschläg­e sieht sich Svindal in seiner Karriere nicht vom Pech verfolgt, sondern hebt in der ihm typischen Bescheiden­heit das Positive hervor: „Ich hatte viele dieser Verletzung­en, nachdem ich mich schon etabliert hatte. Ich hatte die Skifirma, das Olympiacen­ter in Oslo, ich hatte so viele Leute, die mir geholfen haben und wollten, dass ich zurück in den Rennsport komme.“Das diesjährig­e Comeback hat zudem eine frische Liebe beflügelt. Seit Sommer ist Svindal mit dem norwegi-

Aksel Lund Svindal über den Weg zurück.

schen Topmodel Gitte Lill Paulson, 30, liiert. „Das hat die Reha viel angenehmer gemacht“, erzählte der Routinier schmunzeln­d.

Svindals großes Ziel sind die Winterspie­le in Pyeongchan­g, auch wenn er selbst noch nicht darüber sprechen will. Aus Vancouver 2010 nahm er einen kompletten Medaillens­atz mit nach Hause, vier Jahre später in Sotschi ging er jedoch leer aus. Kann er seine Form halten, könnte die Trophäensa­mmlung zudem um Abfahrtsbz­w. Super-G-Kristall erweitert werden. Den Gesamtwelt­cup hat Cheftraine­r Mitter angesichts des beeinträch­tigen Knies hingegen abgeschrie­ben. „Die Chance lebt immer, aber es ist keine realistisc­he“, sagte der Steirer. Am 26. Dezember feiert Svindal seinen 35. Geburtstag, dem Skisport könnte er noch eine Weile erhalten bleiben, glaubt Mitter: „Ihm macht es viel zu viel Spaß, um aufzuhören.“

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[ Reuters ] In Beaver Creek kehrte Aksel Lund Svindal zuletzt auf die oberste Stufe des Podests zurück.

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