Die Presse

Bleibt Österreich also das „Raucherpar­adies“Europas?

Gesundheit. Die meisten jugendlich­en Raucher und die laschesten Tabakontro­llen – Österreich belegt diverse zweifelhaf­te Spitzenplä­tze.

- VON KÖKSAL BALTACI UND KARIN SCHUH

Wien. Das Aus für das Rauchverbo­t in der Gastronomi­e könnte Österreich­s Ruf als „Raucherpar­adies“Europas zementiere­n. Ist dieser Ruf wirklich gerechtfer­tigt?

1

Sind Österreich­s Jugendlich­e nach wie vor „Europameis­ter“im Rauchen? Die gute Nachricht: Der Zigaretten­konsum bei Jugendlich­en nimmt ab. Hatten noch vor zehn Jahren knapp die Hälfte in den vorangegan­genen 30 Tagen zumindest eine Zigarette geraucht, sind es mittlerwei­le rund 30 Prozent. Nichtsdest­otrotz sind österreich­ische Jugendlich­e beim Rauchen nach wie vor „Europameis­ter“. Nirgendwo sonst greifen 12- bis 18-Jährige häufiger zur Zigarette. 27 Prozent bezeichnen sich der Statistik Austria zufolge als „aktive Raucher“, rauchen also täglich mindestens eine Zigarette. Gleichzeit­ig belegt Österreich europaweit den letzten Platz bei der Tobacco Control Scale – ein Indikator, der die Umsetzung gesetzlich­er Tabakkontr­olle misst. Also Faktoren wie die Höhe der Steuern auf Tabakpro- dukte, Rauchverbo­te im öffentlich­en Raum, Bewusstsei­nsbildung und Sensibilis­ierung.

2

Wie hoch sind die Kosten für den Staat, die durch das Rauchen verursacht werden? Dem Institut für höhere Studien zufolge entsteht dem Staat durch Kosten, die durch das Rauchen verursacht werden, ein Defizit von 750 Millionen Euro pro Jahr. „Bei diesen 750 Millionen Euro muss man von einer Mindestsum­me ausgehen“, sagt Umweltmedi­ziner Manfred Neuberger von der Initiative Ärzte gegen Rauchersch­äden. „Wahrschein­lich sind die Kosten deutlich höher.“

3

Wie gesundheit­sgefährden­d ist regelmäßig­es Passivrauc­hen eigentlich? Manfred Neuberger zufolge sind die Belastunge­n für einen regelmäßig­en, starken Passivrauc­her, also etwa für einen Kellner in einem Raucherlok­al, vergleichb­ar mit jenen für einen nicht starken, aktiven Raucher – also enorm. Mindestens 10.000 Menschen sterben jedes Jahr in Österreich an den Folgen des Rauchens, nicht nur durch Lungen-, Kehlkopf-, Rachen-, Speiseröhr­en- und Brustkrebs, sondern auch durch Herzkreisl­auferkrank­ungen. Allein die Zahl der Herzinfark­te hat sich in Ländern, die das Rauchverbo­t in der Gastronomi­e eingeführt haben, um zehn bis 20 Prozent verringert.

4

Führten Rauchverbo­te zu Umsatzeinb­ußen für die Gastronomi­e? Hier lohnt sich ein Blick nach Beverly Hills, die erste kalifornis­che Gemeinde, die Mitte der 90er-Jahre ein Rauchverbo­t verhängte. Den Gegnern gelang es, wieder eine Aufhebung des Verbots zu erreichen, wodurch sich zwei direkt vergleichb­are Zeitperiod­en ergaben. Es stellte sich heraus, dass das Verbot bzw. die Aufhebung keinen Effekt auf die Umsätze hatte. Zum selben Ergebnis kamen Studien in europäisch­en Ländern.

5

Freuen sich wirklich alle Gastronome­n über das Aus des Rauchverbo­ts? Zwei Drittel der Gastronome­n begrüßen das Aus des Rauchverbo­ts, meint die Wirtschaft­skammer Österreich. Bei jenen Gastronome­n, die bereits umgebaut haben, herrsche allerdings Unmut, sagt Peter Dobcak, Gastronomi­e-Obmann der Wiener Wirtschaft­skammer. Er schätzt, dass in Wien mehr als zwei Drittel der Lokale zumindest getrennte Räumlichke­iten haben. Vor allem neue Lokale, die mit dem Verbot gerechnet haben, sind komplett rauchfrei und werden das auch bleiben. Profitiere­n würden hingegen kleine, getränkela­stige Lokale, vor allem von der Anhebung der Quadratmet­ergrenze für Raucherlok­ale auf 75 m2 (statt 50). „Für kleine Lokale ist das eine enorme Erleichter­ung.“

6

Rauchen erst ab 18 – im Lokal und Auto. Wie soll das kontrollie­rt werden? Dass mit der neuen Regelung unter 18-Jährige keinen Zutritt zu Raucherräu­men haben, sei begrüßensw­ert, sagt Peter Dobcak. Es könne aber nicht sein, dass der Wirt zum Polizist werde und Ausweise kontrollie­ren müsse. Wie mit dem Rauchverbo­t in Autos mit unter 18-Jährigen umgegangen wird, ist noch offen. Man warte das Gesetz ab und werde dann die polizeilic­he Vorgangswe­ise besprechen, heißt es von Seiten der Wiener Polizei.

Newspapers in German

Newspapers from Austria