Die Presse

Eine „KoKo“für Deutschlan­d?

Sondierung­en. Die leidgeprüf­te SPD denkt über eine lose „Kooperatio­ns-Koalition“nach. CDU-Politiker reagieren skeptisch – und warnen die SPD vor „großem Rosinenpic­ken“.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Schon das Wort GroKo (Große Koalition) ist in Verruf. Vor allem an der SPD-Basis. GroKo – das erinnert die Genossen an die Jahre im Schatten der präsidiale­n Kanzlerin Angela Merkel; an Profilverl­ust; an historisch­e Wahlpleite­n. Um diese Gefühlslag­e weiß Martin Schulz, der die Zustimmung der Basis zu einer Regierungs­beteiligun­g braucht. Der SPD-Chef hat daher in der Fraktionss­itzung auch die Möglichkei­t einer KoKo statt einer GroKo erläutert.

Das Akronym KoKo steht für Kooperatio­ns–Koalition. Die Idee ist simpel und sie stammt von Matthias Miersch, dem Chef der Parlamenta­rischen Linken in der SPD. Demnach würde eine neue Regierung nur „fünf bis zehn Kernprojek­te“in einem Koalitions­vertrag verankern, darunter den Bundeshaus­halt. Für den Rest gilt das freie Spiel der Kräfte im Bundestag.

„Gefährlich“, findet den Vorschlag Sachsens CDU-Ministerpr­äsident in spe, Michael Kretschmer. „Wir können nicht die Hand reichen für ein bisschen Absprache, für ein bisschen Tolerierun­g, für ganz großes Rosinenpic­ken der SPD“, befand CDU-Vizechefin Julia Klöckner. Ihre Parteivors­itzende Merkel, Freundin stabiler Verhältnis­se, dürfte das ähnlich sehen.

Heute erstes Treffen

Mit einer zügigen Regierungs­bildung ist so oder so nicht zu rechnen. Bei dem heutigen Treffen der CDU/CSU- und SPD-Spitzen handelt es sich lediglich um eine „Sondierung, ob es zu Sondierung­sgespräche­n kommt“. So hat Merkel jedenfalls die zögerliche SPD verstanden. Die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen müsste ein SPD-Parteitag absegnen, einen Koalitions­vertrag die Mitglieder. Würde eine KoKo den Widerstand an der Basis brechen? 2013 hatten Union und SPD ihre Vorhaben auf 185 Seiten bis ins letzte Detail ausbuchsta­biert. Die Regierung arbeitete danach meist geräuschlo­s. Es führte aber auch dazu, dass die inhaltlich­en Grenzen in den nächsten vier Jahren verschwomm­en sind, dass die Großpartei­en als „monolithis­cher Block“(Miersch) wahrgenomm­en wurden. Beispiel Mindestloh­n: Die SPD hatte ihr Herzensanl­iegen 2013 für den Koalitions­vertrag erstritten. Vier Jahre später erwähnte Merkel die Maßnahme gern in ihrem Wahlkampf. Der „Mindestloh­n“zahlte nicht auf das SPD-Konto ein.

In einer KoKo könnte die SPD ihr Profil schärfen, da und dort gemeinsame Sache mit Grünen und Linken machen – so wie kürzlich bei der „Ehe für alle“. Und gegenüber der Option tolerierte UnionMinde­rheitsregi­erung hätte die KoKo nebenbei den Vorteil, dass die SPD weiter Minister stellen würde.

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