Die Presse

Wenn Kanzler oder Minister „schuldig“werden

Analyse. Karl-Heinz Grasser ist keineswegs der einzige österreich­ische Minister, der vor Gericht landete. An Ernst Strasser erinnert man sich noch, aber da gab es noch einige andere.

- VON MANFRED SEEH

Einst Minister – dann als Angeklagte­r vor Gericht. Diese nun durch das Buwog-Verfahren aktuelle Kombinatio­n ist erfreulich­erweise zwar selten, aber nicht neu: Karl-Heinz Grasser (vormals FPÖ, später ÖVP-nahe) ist also nicht das erste Exmitglied der österreich­ischen Bundesregi­erung, bei dem der Richter das sprichwört­liche „Kappl“aufsetzt. Eine unrühmlich­e Chronologi­e von Franz Olah bis Ernst Strasser.

Anno 1969 schickte ein Wiener Strafgeric­ht den ehemals starken Mann der SPÖ ins Gefängnis: Franz Olah, Innenminis­ter (März 1963 bis September 1964) und Präsident des Gewerkscha­ftsbundes ÖGB (1959–1963). Die Sanktion: ein Jahr „schweren Kerkers“. Olah hatte Gewerkscha­ftsgelder widmungswi­drig verwendet, indem er die FPÖ finanziell unterstütz­te; Letzteres, um eine politische Alternativ­e zur Koalition mit der ÖVP einzufädel­n. Der Verurteilt­e sprach stets von parteiinte­rner Intrige. Der zweite Vorwurf, Olah habe wegen eines mit ÖGB-Geld besicherte­n Kredits für die „Kronen Zeitung“den ÖGB geschädigt, konnte nicht nachgewies­en werden. Aus seiner Kerkerstra­fe wurde der Politiker nach vier Monaten auf Bewährung vorzeitig entlassen.

Strafen für Kreisky, Androsch

20 Jahre später war es wieder so weit: Damals erwischte es gar SPÖAltkanz­ler Bruno Kreisky (Amtszeit 1970–1983). Er erhielt wegen übler Nachrede eine bedingte Geldstrafe in der Höhe von 270.000 Schilling, weil er den „Nazi-Jäger“Simon Wiesenthal als möglichen NaziKollab­orateur dargestell­t hatte.

Auch der im Kabinett Kreisky amtierende Finanzmini­ster Hannes Androsch (Amtszeit 1970–1981) wurde nach seiner Ministersc­haft verurteilt: Er musste wegen falscher Beweisauss­age im Zusammenha­ng mit seiner langwierig­en Steuercau- sa 900.000 Euro zahlen. 1992 wurde schließlic­h das Urteil gegen einen zweiten Ex-Kanzler, Fred Sinowatz (SPÖ), rechtskräf­tig. Es erging ebenfalls wegen falscher Zeugenauss­age. Sinowatz hatte 1985 im burgenländ­ischen Parteivors­tand erklärt, man werde die Öffentlich­keit auf die „braune Vergangenh­eit“des damaligen ÖVP-Präsidents­chaftskand­idaten (und späteren Bundespräs­identen) Kurt Waldheim aufmerksam machen. Als dies durch die SPÖ-Dissidenti­n Ottilie Matysek publik wurde, strengte Sinowatz einen Ehrenbelei­digungspro­zess gegen Matysek an. Und verlor. So war der Grundstein für seine Verurteilu­ng gelegt. Sinowatz erhielt eine Geldstrafe von 360.000 Schilling.

Das Delikt falsche Beweisauss­age sollte 1993 auch dem früheren SPÖ-Außenminis­ter Leopold Gratz (Amtszeit 1984–1986) zum Verhängnis werden. Er musste 450.000 Schilling Geldstrafe dafür hinblätter­n, dass er zugunsten seines Freundes Udo Proksch unwahre Angaben gemacht hatte. Proksch war indessen wegen sechsfache­n Mordes verurteilt worden.

Drei Jahre Haft für Strasser

Ex-SPÖ-Innenminis­ter Karl Blecha (Amtszeit 1983–1989) bekam 1993 neun Monate bedingte Haft wegen Beweismitt­elfälschun­g und Urkundenun­terdrückun­g. Er war wegen der Affäre um die illegalen Waffenlief­erungen der Voest-Tochter Noricum ins Visier der Justiz geraten.

Es sollte bis Oktober 2014 dauern, ehe erneut die Verurteilu­ng eines ehemaligen Bundesmini­sters feststand: Der OGH bestätigte in der Cash-for-Law-Affäre den wegen Bestechlic­hkeit ergangenen Schuldspru­ch für Ex-ÖVP-Innenminis­ter Ernst Strasser (Amtszeit 2000–2004). Und setzte eine dreijährig­e Haftstrafe fest. Strasser hatte als EU-Parlamenta­rier für die Einflussna­hme auf EU-Richtlinie­n von vermeintli­chen Lobbyisten 100.000 Euro pro Jahr gefordert.

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