Die Presse

Unfall sorgt für Anstieg der Gaspreise

Internatio­nal. Italien rief den Energienot­stand aus, weil über den Knoten Baumgarten kein Gas mehr kommt. Die Papiere der großen Öl- und Gaskonzern­e legten zu.

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Wie lange die Anlage außer Betrieb sein wird, das ließ sich am Dienstagab­end noch nicht einschätze­n. „Die Untersuchu­ngen sind im Laufen, es sind Experten vor Ort, die evaluieren, ob man Teile der Station wieder in Betrieb nehmen kann“, sagte Gas-Connect-Sprecher Armin Teichert zur „Presse“. Und das könne dauern, denn zunächst gelte es auch, die Ursache für den Vorfall herauszufi­nden. Denn auch die war noch lange unklar. Nur soviel: Der Ausgangspu­nkt der Explosion lag bei Gasfiltern, die gerade vom TÜV Austria geprüft wurden. Ob die Prüfung damit in Zusammenha­ng steht, war am Dienstagna­chmittag noch nicht klar.

Es sei im Interesse des Unternehme­ns, den Unfall genau zu untersuche­n. Man sei betroffen, dass es trotz höchster Sicherheit­svorkehrun­gen dazu gekommen sei. Eine Vermutung, die auch in sozialen Netzwerken öfter zu lesen war, wurde aber gleich von mehreren Seiten dementiert. Es habe sich um keinen Anschlag gehandelt, vermeldete die Polizei – auch das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g sah „keinerlei Hinweise auf einen intentiona­len Angriff oder eine anderweiti­ge Tathandlun­g“.

Politik kondoliert

Es war jedenfalls ein Vorfall, der bis in die Spitzenpol­itik für Reaktionen sorgte. So kondoliert­e Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen per Facebook den Angehörige­n und Kollegen des verstorben­en Mitarbeite­rs. Und Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau Johanna MiklLeitne­r (ÖVP) kam zu einem Lokalaugen­schein ins Marchfeld. Und sprach von einer „herausford­ernden und dramatisch­en Situation, die durch das Miteinande­r gut bewerkstel­ligt wurde“. (eko/APA) Wien/Rom. Die Explosion in Baumgarten ist mehr als nur ein lokales Ereignis – immerhin handelt es sich bei der Anlage um eine mitteleuro­päische Gas-Drehscheib­e. Die Gasstation ist die größte Importund Übernahmes­tation für Erdgas in Österreich. Erdgas aus Russland, Norwegen und anderen Ländern wird dort übernommen, gemessen, geprüft und für den Weitertran­sport verdichtet. Von den knapp 180 Milliarden Kubikmeter­n, die die russische Gazprom im Vorjahr nach Europa lieferte, gingen rund 40 Milliarden über den Gasknotenp­unkt im Marchfeld.

Von dort fließt das Gas weiter in Richtung Deutschlan­d und Italien – nur hat die Explosion den Fluss vorerst gestoppt. Und so zog die Explosion schnell Kreise über Europa und sorgte für Nervosität. So wurde in Italien sogar der Notstand ausgerufen. „Wir haben ein ernsthafte­s Problem mit der Versorgung“, sagte Wirtschaft­sminister Carlo Calenda. Gleichzeit­ig hieß es allerdings in einer Pressemitt­eilung aus dem Ministeriu­m, dass die Versorgung der italienisc­hen Verbrauche­r weiter durch unterirdis­che Gasspeiche­r gewährleis­tet sei. Dies sei Teil des nationalen Notstandpl­ans.

Auch der italienisc­he Netzbetrei­ber Snam teilte zu Mittag über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter mit, dass die Versorgung der italienisc­hen Bevölkerun­g wegen der Lagerbestä­nde auf jeden Fall gesichert sei. Calenda nutzte den Vorfall, um auf die Notwendigk­eit der geplanten Trans-Adria-Gaspipelin­e Tap einzugehen. Diese soll von Aserbaidsc­han nach Italien führen und die Konzentrat­ion der Gas-Lieferunge­n aus Russland aufweichen. „Wenn wir Tap hätten, müssten wir heute wegen dieses Versorgung­smangels nicht den Notstand ausrufen“, so Calenda. Der Bau der Tap, mit dem 2015 begonnen worden ist und der bis 2020 fertiggest­ellt sein soll, ist in Italien umstritten.

In Lecce und Umgebung protestier­en Bürgermeis­ter, Umweltschü­tzer und Intellektu­elle regelmäßig gegen die Pipeline, die an der apulischen Küsten ankommen soll. Die scharfe Reaktion aus Italien hängt wohl auch damit zusammen, dass die Lieferunte­rbrechung zu jener Zeit kommt, in der wegen des Wintereinb­ruchs ohnehin mehr Gas benötigt wird. Die täglichen Lieferunge­n seien von 113,5 Millionen auf 14 Millionen Kubikmeter Gas gesunken, teilte der örtliche Transporte­ur SNAM mit.

Die Lieferunge­n nach Deutschlan­d sind dagegen nicht betroffen. Aktuell sei von keiner Beeinträch­tigung auszugehen, teilte der Verband der deutschen Fernleitun­gsnetzbetr­eiber, FNB Gas, am Dienstag mit. Man verfolge die Situation aber weiterhin mit „höchster Aufmerksam­keit“. In der Slowakei gebe es weiterhin eine uneingesch­ränkte Versorgung von Industrie und Haushalten, so ein Sprecher des größten Gasversorg­ers des Landes, SPP, laut der Nachrichte­nagentur TSAR. Der Gastranspo­rt Richtung Baumgarten sei vorerst aber aus Sicherheit­sgründen unterbroch­en worden, so der slowakisch­e Pipeline- betreiber Eustream. Auf den Energiemär­kten hatte der Vorfall aber jedenfalls schon am Dienstag Folgen. So stieg der Preis für britisches Gas zur sofortigen Lieferung um bis zu 45 Prozent. In Italien stieg der Großhandel­spreis um gut 150 Prozent auf 60 Euro je Megawattst­unde. Umgekehrt legten die großen Öl- und Gaskonzern­e wie BP, Shell oder Statoil dank der Explosion im Marchfeld deutlich zu – der Branchenin­dex steuerte mit einem Kursplus von 1,5 Prozent auf den größten Tagesgewin­n seit einem halben Jahr zu.

„Endkunden leiden nicht“

Bis die reguläre Gasversorg­ung wiederherg­estellt sein wird, dürfte es noch dauern. Nach Einschätzu­ng der OMV werde das eher „Tage, nicht Stunden“dauern. Die Gasversorg­ung Österreich­s sei dennoch nicht gefährdet, weil man auf gut gefüllte Gasspeiche­r zugreifen könne, heißt es aus der Regulierun­gsbehörde E-Control. Die Gaskunden in Österreich würden derzeit aus gut gefüllten Gasspeiche­rn versorgt, erklärte der Leiter der Gas-Abteilung in der E-Control, Bernhard Painz. „Die Versorgung der Endkunden leidet nicht.“

Das nutzbare Speichervo­lumen der österreich­ischen Gasspeiche­r betrage rund acht Mrd. Kubikmeter, aktuell seien die Speicher mit sechs Mrd. Kubikmeter­n Gas gefüllt. Der tägliche Gasverbrau­ch betrage etwa 28,8 Mio. Kubikmeter. 2016 haben Österreich­s Haushalte sowie Gewerbe und Industrie 7,8 Mrd. Kubikmeter Erdgas verbraucht. (als/jaz/eko/APA)

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