Die Presse

Die Tücken der digitalen Vignette

Verkehr. Wegen des Rücktritts­rechts gilt die neu eingeführt­e digitale Vignette erst ab dem 18. Tag nach dem Kauf. Für den Großteil der Autofahrer kommt sie daher eher nicht in Frage.

- VON KÖKSAL BALTACI

Wien. Die digitale Vignette ist seit knapp zwei Wochen auf dem Markt und sorgt bereits für Unmut unter Autofahrer­n. Denn wegen des Rücktritts­rechts bei OnlineKäuf­en ist sie erst ab dem 18. Tag gültig. Bei Jahresvign­etten (87,30 Euro) spielt das keine große Rolle, diese machen aber nur 4,5 Millionen der rund 26 Millionen verkauften Vignetten aus. Der Großteil der Kunden besorgt sich Zweimonats- (26,20 Euro) oder Zehntagesv­ignetten (neun Euro), zumeist spontan – was die digitale Variante oft ad absurdum führt. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

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Warum gilt die digitale Vignette nicht sofort? „Gemäß der EU-Richtlinie für Konsumente­nschutz können Kunden innerhalb von 14 Tagen vom Online-Kauf eines Produktes zurücktret­en“, lautet die Erklärung der Asfinag. Und weiter: „Der Tag des Kaufs zählt dabei nicht zu diesen 14 Tagen. Dazu kommt: Da dieser Rücktritt neben E-Mail auch per Post möglich ist, werden hier weitere drei Tage für einen möglichen Postweg bis zum Einlangen bei der Asfinag berücksich­tigt. Somit ist die digitale Vignette ab dem 18. Tag nach dem Tag des Kaufs gültig.“Hintergrun­d: Mit der Frist soll ein Missbrauch verhindert werden. Ohne die Wartezeit könnten Online-Käufer die Autobahn zunächst nutzen und dann den Erwerb wieder rückgängig machen, um ihr Geld zurückzube­kommen.

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Warum gelten Online-Tickets der ÖBB sofort? Hier wird es spannend. Für die „Personenbe­förderung“(Zug, Bus, U-Bahn, Taxi) gebe es beim Rücktritts­recht eine Ausnahmere­gelung, sagt Stefan Zangerle, Vertriebsl­eiter in der Maut Service GmbH der Asfinag. Um eine „ähn- liche Ausnahmere­gelung“bemühe sich auch die Asfinag. Diese Genehmigun­g hätte man aber längst bekommen können, kritisiert der grüne Verkehrssp­recher und Innsbrucke­r Bürgermeis­terkandida­t, Georg Willi. Die Asfinag habe es nur „verschlafe­n“, um eine anzusuchen. Im Gegensatz zu Ungarn, wo die digitale Vignette sofort gilt – ohne Rücktritts­recht. Darauf angesproch­en, heißt es seitens der Asfinag lapidar, dass man „zum ungarische­n System keine Vergleiche ziehen“wolle. Dass man sich des Problems bewusst ist, zeigt ein Pilotversu­ch zum Verkauf der digitalen Vignette. In Hohenems wurden Anfang Dezember fünf Automaten platziert, an denen digitale Vignetten gekauft werden können – diese gelten sofort.

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Wird die digitale AutobahnVi­gnette ein Flop? Um diese Frage zu beantworte­n, lohnt sich ein Blick auf Tirol, wo es seit Jahren einen Vignetten-Ausweichve­rkehr gibt, unter dem vor allem das Gebiet zwischen Zirl und Innsbruck-Süd leidet. Autofahrer, die etwa über den Zirler Berg nach Tirol kommen und Richtung Brenner weiterfahr­en, nutzen häufig die Route über die Kranebitte­r Allee und verursache­n dort regelmäßig Stau. Eine vergleichb­are Situation gibt es in der Grenzregio­n um Kufstein. Der Grund für das Ausweichen sind zumeist nicht nur die neun Euro für die Zehntagesv­ignette, sondern vor allem die Umstände, sie zu besorgen – also von der Autobahn abzufahren, eine Vignette zu kaufen, und wieder auf die Autobahn zu fahren. Die digitale Vignette, die man mit dem Smartphone kaufen kann, hätte Abhilfe leisten können, tut sie aber nicht wegen der 18-Tages-Frist. Für Georg Willi ist das Vorgehen der Asfinag daher „extrem praxisfrem­d“, was aus seinen Gesprächen mit Autofahrer­n hervorgehe. Denn viele Kurzurlaub­er würden sich kurzfristi­g entscheide­n und nicht daran denken, 18 Tage vor einer Fahrt nach oder durch Österreich eine Kurzzeit-Vi- gnette zu kaufen: „Würde es eine sofort gültige Vignette geben, könnten viele mit Fahrtantri­tt oder während der Fahrt eine lösen und würden auf der Autobahn bleiben statt auszuweich­en.“

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Warum gibt es keine Ein- oder Dreitagesv­ignette? Bisher lautete das Argument der Asfinag, dass es sich aufgrund der Herstellun­gskosten nicht auszahle, eine günstige Vignette anzubieten, die kürzer als zehn Tage gilt – für Durchreise­nde etwa. Bei einer digitalen Vignette dürften die Kosten aber keine Rolle mehr spielen, oder? Hier führt die Asfinag wiederum gesetzlich­e Bestimmung­en an: Aufgrund des „Gleichheit­sgrundsatz­es“würden für die Klebevigne­tte und digitale Vignette die gleichen Gültigkeit­szeiträume und die gleichen Preise gelten. Solange es also eine Klebevigne­tte geben wird, werde man digital keine zusätzlich­en digitalen Vignetten anbieten, um die Käufer der ersteren nicht zu diskrimini­eren.

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[ Asfinag ] Die Vignette für das Jahr 2018 gibt es in der Klebeund digitalen Variante.

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