Die Presse

Österreich­s implizite Staatsschu­lden sind gestiegen

Haushalt. Wenn man die durch Pensions- und Gesundheit­ssystem gebundenen Gelder einbezieht, ergibt sich ein neues Bild der europäisch­en Staatsschu­ldenlage: Kroatien steht super da – und Österreich fällt weiter zurück.

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Wien. Staatsschu­lden scheinen auf den ersten Blick eine simple Sache zu sein. Die Summe der Verbindlic­hkeiten im Verhältnis zur Wirtschaft­sleistung ergibt die Schuldenqu­ote. Aber ganz so einfach ist es nicht. Denn jeder Staat hat seinen Bürgern Versprechu­ngen gemacht – in der Form von Pensions-, Pflege und Gesundheit­sausgaben. Die deutsche Stiftung Marktwirts­chaft errechnet daher ein Mal pro Jahr die implizite Schulden eines Staates. Und da ergibt sich dann oft ein ganz anderes Bild, als man vermuten sollte.

So sind die Staatsfina­nzen von Kroatien, Bulgarien, Schweden und Lettland derzeit am solidesten, sagt die Stiftung. Diese Länder landen bei einer Staatsvers­chuldung von unter hundert Prozent des BIP, wenn man explizite und implizite Schulden zusammenre­chnet. Kroatien ist dabei ein ganz besonderer Fall. Das Land hat unterm Strich sogar eine negative Staatsvers­chuldung von 12 Prozent. „Kroatien ist das einzige Land, dessen Haushaltsp­olitik als fiskalisch nachhaltig bewertet werden kann, da das implizite Vermögen die expliziten Schulden übersteigt“, so die Stiftung.

In Österreich ist man weit davon entfernt. Das Land ist im Vergleich zum Vorjahr im Ranking um drei Plätze zurückgefa­llen und landet hinter Ungarn (13) und Frankreich (14) nur noch auf Platz 15. Zu einer offizielle­n Staatsschu­ldenquote von 84 Prozent der Wirtschaft­sleistung kommt eine implizite Verschuldu­ng von 177 Prozent dazu. Ergibt unterm Strich eine Gesamtvers­chuldung von 260 Prozent des BIP – im Vorjahr waren es noch 259 Prozent.

Negativbei­spiel Luxemburg

Damit ist Österreich eines von nur neun Ländern in der EU, wo sich die Lage verschlech­tert hat. Angesichts der allgemeine­n Konjunktur­erholung ein Alarmzeich­en. Denn die durchschni­ttliche Gesamtvers­chuldung in der EU liegt bei „nur“217 Prozent – um 39 Prozentpun­kte weniger als im Vorjahr. Allerdings, so die Stiftung Marktwirts­chaft: Da die Gesamtvers­chuldung die Wirtschaft­sleistung immer noch um das Doppelte übersteige, werde deutlich, dass „die traditione­lle Fokussieru­ng auf den expliziten Schuldenst­and (Maastricht-Kriterium) zu einer übermäßig optimistis­chen Einschätzu­ng der tatsächlic­hen Lage der Staatsfina­nzen führt.“

Ein Beispiel dafür sei Luxemburg. Das habe offiziell zwar nur 21 Prozent Staatsschu­ldenquote. Aber rechnet man die an die Bevölkerun­g durch das Sozialsyst­em abgegebene­n Verspreche­n hinzu, wächst dieser Schuldenbe­rg auf atemberaub­ende 915 Prozent an. Im Vergleich zum Vorjahr sind nochmal fast 100 Prozentpun­kte dazu gekommen. (jil)

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