Mehr Unfälle mit Motorrädern bei Vollmond
Kanadische Forscher werteten Verkehrsdaten aus – und geben der optischen Ablenkung die Schuld.
„I was lying in a burned out basement with the full moon in my eyes“, sang Neil Young in „After The Gold Rush“, „There’s a full moon risin’, let’s go dancin’ in the light“, in „Harvest Moon“, benannt nach einem speziellen Vollmond, jenem, der der Tag-Nacht-Gleiche im September zeitlich am nächsten ist.
Neil Young ist nicht nur, wie in nebenstehender Rezension ausgeführt, ein Liebhaber alter Autos, er weiß auch Motorräder zu schätzen (siehe Songs wie „Motorcycle Mama“oder „Desert Highway“). Umso mehr wird es ihn freuen, dass seine Erwähnung des Vollmonds in „After The Gold Rush“nun in einer wissenschaftlichen Publikation (The BMJ, 11. 12.) vorkommt, die Motorrad und Vollmond zusammenbringt.
Allerdings auf fatale Weise: Donald Redelmeier und Eldar Shafir von der University of Toronto – noch ein Zusammenhang mit Neil Young, der in Toronto geboren ist! – übertiteln ihre Studie mit „The Full Moon and Motorcycle Related Mortality“. Ausgewertet wurden offizielle Daten (aus der „National Highway Traffic Safety Administration“) über Motorradunfälle in den USA zwischen 1975 und 2014. In diesen 40 Jahren gab es 494 Vollmondnächte, in diesen wurden 4494 tödliche Motorradunfälle registriert, das sind 9,1 pro Nacht. Zum Vergleich wurden die Nächte jeweils eine Woche vor und nach dem Vollmond herangezogen: In diesen 988 Nächten ereigneten sich 8535 letale Motorradunfälle, das sind 8,6 pro Nacht.
Weniger als die Hälfte mit Helm
Der Zusammenhang ist nicht sensationell, aber signifikant. Um ihn zu erhärten, analysierten die Forscher ähnliche Daten aus Großbritannien, Kanada und Australien, sie erhielten 2,6 tödliche Motorradunfälle pro Vollmondnacht und 2,4 pro Vergleichsnacht. Der typische beteiligte Motorradfahrer sei „ein Mann mittleren Alters, der eine Straßenmaschine in ländlicher Umgebung fuhr und einen frontalen Zusammenstoß hatte“, schreiben die Forscher, weniger als die Hälfte der Verunglückten trug einen Helm.
Spannender ist die Interpretation der Korrelation: Die Forscher erwähnen die im Volksmund verbreitete Idee, dass der Vollmond die Menschen seltsam bis irre – „lunatic“sagt man auf Englisch – mache, gar nicht, sie führen die gestiegene Unfallhäufigkeit fast nur auf optische Ablenkung während des Fahrens zurück: „Ein Vollmond ist selten und spektakulär, stellt damit eine natürliche Ablenkung dar. Er ist groß und hell vor einem dunklen Himmel, sorgt damit für einen auffälligen Kontrast der Leuchtdichte.“Er könne dem Fahrer, etwa nach Hügeln, abrupt erscheinen. Dann wird doch eine allgemeine Wirkung des Vollmondes zart erwogen: Er „könnte zu vermehrten Freiluftaktivitäten aller Art beitragen, darunter häufigeres Reisen, größere Geschwindigkeiten, größere Entfernungen, nicht vertraute Routen, vermehrter Gegenverkehr und Mischungen weniger erfahrener Reisender.“Der nicht ganz klare Satz legt es schon nahe: In der Vollmondforschung ist durchaus noch einiges offen.