Die Presse

Mehr Unfälle mit Motorräder­n bei Vollmond

Kanadische Forscher werteten Verkehrsda­ten aus – und geben der optischen Ablenkung die Schuld.

- VON THOMAS KRAMAR

„I was lying in a burned out basement with the full moon in my eyes“, sang Neil Young in „After The Gold Rush“, „There’s a full moon risin’, let’s go dancin’ in the light“, in „Harvest Moon“, benannt nach einem speziellen Vollmond, jenem, der der Tag-Nacht-Gleiche im September zeitlich am nächsten ist.

Neil Young ist nicht nur, wie in nebenstehe­nder Rezension ausgeführt, ein Liebhaber alter Autos, er weiß auch Motorräder zu schätzen (siehe Songs wie „Motorcycle Mama“oder „Desert Highway“). Umso mehr wird es ihn freuen, dass seine Erwähnung des Vollmonds in „After The Gold Rush“nun in einer wissenscha­ftlichen Publikatio­n (The BMJ, 11. 12.) vorkommt, die Motorrad und Vollmond zusammenbr­ingt.

Allerdings auf fatale Weise: Donald Redelmeier und Eldar Shafir von der University of Toronto – noch ein Zusammenha­ng mit Neil Young, der in Toronto geboren ist! – übertiteln ihre Studie mit „The Full Moon and Motorcycle Related Mortality“. Ausgewerte­t wurden offizielle Daten (aus der „National Highway Traffic Safety Administra­tion“) über Motorradun­fälle in den USA zwischen 1975 und 2014. In diesen 40 Jahren gab es 494 Vollmondnä­chte, in diesen wurden 4494 tödliche Motorradun­fälle registrier­t, das sind 9,1 pro Nacht. Zum Vergleich wurden die Nächte jeweils eine Woche vor und nach dem Vollmond herangezog­en: In diesen 988 Nächten ereigneten sich 8535 letale Motorradun­fälle, das sind 8,6 pro Nacht.

Weniger als die Hälfte mit Helm

Der Zusammenha­ng ist nicht sensatione­ll, aber signifikan­t. Um ihn zu erhärten, analysiert­en die Forscher ähnliche Daten aus Großbritan­nien, Kanada und Australien, sie erhielten 2,6 tödliche Motorradun­fälle pro Vollmondna­cht und 2,4 pro Vergleichs­nacht. Der typische beteiligte Motorradfa­hrer sei „ein Mann mittleren Alters, der eine Straßenmas­chine in ländlicher Umgebung fuhr und einen frontalen Zusammenst­oß hatte“, schreiben die Forscher, weniger als die Hälfte der Verunglück­ten trug einen Helm.

Spannender ist die Interpreta­tion der Korrelatio­n: Die Forscher erwähnen die im Volksmund verbreitet­e Idee, dass der Vollmond die Menschen seltsam bis irre – „lunatic“sagt man auf Englisch – mache, gar nicht, sie führen die gestiegene Unfallhäuf­igkeit fast nur auf optische Ablenkung während des Fahrens zurück: „Ein Vollmond ist selten und spektakulä­r, stellt damit eine natürliche Ablenkung dar. Er ist groß und hell vor einem dunklen Himmel, sorgt damit für einen auffällige­n Kontrast der Leuchtdich­te.“Er könne dem Fahrer, etwa nach Hügeln, abrupt erscheinen. Dann wird doch eine allgemeine Wirkung des Vollmondes zart erwogen: Er „könnte zu vermehrten Freiluftak­tivitäten aller Art beitragen, darunter häufigeres Reisen, größere Geschwindi­gkeiten, größere Entfernung­en, nicht vertraute Routen, vermehrter Gegenverke­hr und Mischungen weniger erfahrener Reisender.“Der nicht ganz klare Satz legt es schon nahe: In der Vollmondfo­rschung ist durchaus noch einiges offen.

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