Die Presse

Ist Gewaltente­ilung denn auch schon obsolet geworden?

Fernab des Parlaments treiben Aktivisten ihre eigene Agenda voran.

- VON KARL WEIDINGER Karl Weidinger (geb. 1962) lebt als Schriftste­ller und Übersetzer in Wien und im Burgenland. Sein Anliegen ist die Gesellscha­ftskritik.

In Artikel I des österreich­ischen Bundesverf­assungsges­etzes wäre es nachzulese­n: „Österreich ist eine demokratis­che Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“Das bedeutet, dass das Zustandeko­mmen aller allgemein verbindlic­hen Normen (Gesetze) grundsätzl­ich auf das Volk zurückführ­bar sein muss. So weit die Theorie.

Aber seit einiger Zeit gibt es so etwas wie die „Diskrimini­erungsfrei­karte“, und schon beginnen die „humanitäre­n Gründe“schlagend zu werden. Denn praktizier­tes Recht ist auch immer eine Abwägung konkurrenz­ierender Rechtsgüte­r, die sich überlagern und gegenseiti­g beeinfluss­en.

Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs), paradoxerw­eise zum Gutteil vom Staat mit Fördergeld beatmet, treiben die politisch Handelnden vor sich her. Diese unhaltbare Situation füttert einen Wildwuchs von nebenstaat­lichen Institutio­nen, die alle de jure mitspielen und ihren Teil vom Kuchen haben wollen. Das Ausloten der Tragkraft von bestehende­n Gesetzen scheint das oberste Ziel zu sein. Nach dem Motto: Den Versuch ist es immer wert! Und müssen Gesetzesno­rmen wirklich eine Sollbruchs­telle haben? Oder ist es ein Angriff, um die katholisch­e Institutio­n der Ehe aufzubrech­en?

Andere Baustelle. Nach der Homo-Ehe die Klima-Lobby. Stichwort: Klimaflüch­tling. Jeder von Alaska bis Simbabwe hat Ansprüche, so scheint es – aber nur bei uns. Selbst wer sich illegal Zutritt zum Staatsgefü­ge verschafft und sogar durch Nötigung und erpresseri­sche Maßnahmen einen Vorteil erzwingen möchte, muss ein faires Verfahren (mit Ausschöpfu­ng aller, wirklich aller Rechtsmitt­el) bekommen.

Warum gerade Österreich?

Doch warum ausgerechn­et in Österreich, das zu zwei Dritteln aus unwegsamem Gebirgslan­d besteht, wo das Wetter schlecht ist und das, laut Linkspropa­ganda, aus viel zu vielen Nazis besteht? Ohne Rück- sicht auf die Tragfähigk­eit der Gesellscha­ft werden munter Präzedenzf­älle geschaffen. Im Gegenzug muss die finanziere­nde Zivilgesel­lschaft immer mehr unter die Knute genommen werden, um die Duldungsst­arre zu sichern. „Ultra posse nemo obligatur“– Niemand ist verpflicht­et, mehr zu leisten, als er kann, so lautet ein Rechtsgrun­dsatz. Niemand kann per Gesetz gezwungen werden, in die Fluten zu springen, um einen Leichtsinn­igen auf einer Luftmatrat­ze aus einem Rafting-Abenteuer zu retten.

An den Höfen der Verfassung

Das sich aus der österreich­ischen Bundesverf­assung ergebende rechtsstaa­tliche Prinzip für das „freiwillig­e“Mandat der zügellosen Einwanderu­ng und ewiglichen Bereitstel­lung von Leistungen aus den Mitteln des Sozialstaa­tes ist spätestens seit 2015 fraglich. Der riesige Moloch der Sozial- und Asylindust­rie schafft es kaum, die Rahmenbedi­ngungen sozial verträglic­h zu gestalten.

Das Problem der asymmetris­chen Intoleranz: Gleichheit und Gerechtigk­eit sind gut, solange ich nur die Vorteile herausnehm­e. Ist es Rechtsbeug­ung, um Ungleiches gleichzuse­tzen in den heiklen Bereichen des Staates? Gibt es dafür eine Amtshaftun­g? In Medien und Justiz agieren politische Aktivisten, um definitiv eine eigene Agenda, fernab der gesetzgebe­nden Körperscha­ft, des Parlaments, umzusetzen und voranzutre­iben – auch gegen den Willen des Volkes. Die Wahlen zeigen es überdeutli­ch.

Müsste also der Rechtsstaa­t an den Höfen der Verfassung besser vor den Rechtsspre­chern geschützt werden? Dafür wäre laut Demokratie das Parlament – mit wählbaren Vertretern – zuständig.

Oder ist die verfassung­srechtlich­e Gewaltente­ilung in Legislativ­e, Exekutive und Judikative auch schon obsolet worden?

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