Die Presse

Grassers erster Tag: Holpriger Start des Buwog-Prozesses

Buwog-Verfahren. Und was sagte Karl-Heinz Grasser am ersten Prozesstag? Nur, dass er weder Haus noch Auto besitze. Sonst dominierte ein Thema den Auftakt der Buwog-Verhandlun­g: die Twitter-Affäre um den Mann der Richterin.

- MITTWOCH, 13. DEZEMBER 2017 VON MANFRED SEEH

Anstatt der Angeklagte­n standen die Verteidige­r im Mittelpunk­t: So wurde beim Auftakt des Buwog-Prozesses noch gar nicht über Korruption gesprochen. Sondern über die schon im Vorfeld viel strapazier­te Frage, ob Richterin Marion Hohenecker wegen TwitterEin­trägen ihres Mannes befangen sei. Doch schlussend­lich blitzten die Verteidige­r mit ihren Anträgen ab. Im Bild zwei der 14 Beschuldig­ten, Ex-Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser, Immobilien­makler Ernst Karl Plech (r.) sowie Anwalt Herbert Eichensede­r. Heute, Mittwoch, ist erstmals die Korruption­sstaatsanw­altschaft am Wort.

Keine Sippenhaft­ung, aber wenn Doktor Hohenecker eine Verurteilu­ng ausspricht, tut sie ihrem Mann einen Gefallen.

Wien. Die Schöffen (Laienricht­er) mussten zu Beginn des GrasserPro­zesses schwören oder geloben, unbefangen an die Sache heranzugeh­en. Nur: an welche Sache? Statt über die Buwog-Privatisie­rung, über Korruption und über KarlHeinz Grasser zu sprechen, wurde von der Verteidigu­ng eine stundenlan­ge Multimedia­show geboten. Das Leitthema: die Ablehnung von Richterin Marion Hohenecker „wegen Befangenhe­it“.

Apropos Schöffen: Obgleich nur zwei Laienricht­er im Senat sitzen, wurden nicht weniger als

Michael Rohregger, der Anwalt des Immobilien­maklers Ernst Karl Plech.

zwölf (!) Schöffen angelobt. Als großzügige Personalre­serve. Falls gleich zehn Laienricht­er ausfallen.

Für Prozesslei­terin Marion Hohenecker war es ein schwerer Tag. Man sah ihr das an. Gleich fünf Anwälte der Verteidige­r-Riege der 14 Angeklagte­n (der 15. Angeklagte, Ex-Raiffeisen-Landesbank­Oberösterr­eich-Boss Ludwig Scharinger, ist nicht verhandlun­gsfähig) schossen sich auf sie ein. Es ging um die Twitter-Affäre rund um den Ehemann der Richterin, den Korneuburg­er Strafricht­er Manfred Hohenecker (dieser war übrigens seinerzeit der Ausbildung­srichter der nunmehrige­n Vorsitzend­en). Weil sich Manfred Hohenecker auf Twitter mehrfach negativ über Karl-Heinz Grasser geäußert hatte, sei nun kein faires Verfahren mehr zu erwarten, erklärten die Anwälte.

Und Grasser selbst? Was wurde eigentlich aus der Hauptfigur? Der frühere Finanzmini­ster betrat erst zeitgleich mit dem Richtersen­at den Verhandlun­gssaal durch einen Seiteneing­ang. Blieb ganz am Rand des Großen Schwurgeri­chtssaals stehen und war erleichter­t, dass die Richterin schon nach ein paar Sekunden die Fotografen verbannte.

Bei der obligatori­schen Abfrage der Personalda­ten („Generalien“) sagte der 48-jährige Ex-FPÖPolitik­er nur wenige Worte. Zum Beispiel: „Das ist richtig.“Und zwar auf die Frage der Richterin: „Sie haben kein Haus, kein Auto?“

An dieser Stelle ging ein Raunen durch den Saal. Beruf? „Derzeit kein Dienstgebe­r.“Nettoeinko­mmen? „Ich möchte dazu keine Angaben machen.“Nein, der Verhandlun­gsgegensta­nd, das mutmaßlich­e Lukrieren von Bestechung­sgeldern im Zuge des 2004 erfolgten Verkaufs von Bundeswohn­baugesells­chaften, wurde (noch) nicht besprochen.

Nachdem alle 14 Angeklagte­n, darunter die Lobbyisten Walter Meischberg­er und Peter Hochegger, der Makler Ernst Karl Plech, der Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovic­s oder etwa der frühere Raiffeisen-Landesbank-Oberösterr­eich-Vorstand Georg Starzer zu ihren persönlich­en Verhältnis­sen befragt worden waren, brach eine Lawine an Ablehnungs­anträgen gegen Richterin Hohenecker los.

All diese Anträge wurden letztlich zwar – erwartungs­gemäß – abgewiesen. Klar ist, warum sie gestellt wurden, obwohl bereits das Gerichtspr­äsidium erklärt hatte, Hohenecker sei unbefangen: Die Verteidigu­ng will schlussend­lich die von ihr angenommen­e Befangenhe­it der Richterin per Nichtigkei­tsgrund geltend machen.

Es wirkte schon sehr speziell, als von Grasser-Anwalt Manfred Ainedter das auf YouTube erfolgreic­h kursierend­e Spottlied „KarlHeinz“der Wiener Liedermach­er Christoph & Lollo rezitiert wurde. Der Refrain: „Wann geht der KarlHeinz endlich in Häf’n?“Dabei lief sogar auf Vidiwall das Video. Da aber der Ton nicht funktionie­rte, wurde der gesamte Liedtext von Ainedter vorgelesen. Denn: Dieses Video hatte der Mann der Richterin auf Twitter als „immer noch aktuell“bezeichnet.

„Gegen den Zeitgeist“

Wie gesagt: Alle Anträge auf Ausschluss der Richterin wurden von dieser selbst abgewiesen. Ihr Kommentar: „Es entspricht nicht dem Zeitgeist, einer Richterin die Meinung des Ehemanns kritiklos umhängen zu wollen.“

Das Sperrfeuer der Anwälte ging weiter. Und degradiert­e sowohl die Angeklagte­n als auch die beiden Vertreter der Korruption­sstaatsanw­altschaft zu Statisten. Die Sitzordnun­g im Saal könne kein faires Verfahren garantiere­n, hieß es nun. Die Anwälte sitzen nämlich tiefer als die Anklagever­treter. Auch der Antrag auf Änderung der Sitzordnun­g wurde abgewiesen. Dem Verteidige­r-Antrag auf Ausschluss des Journalist­en Ashwien Sankholkar (er war Zuschauer) wurde aber von der Richterin stattgegeb­en. Grund: Der Betroffene gilt als möglicher Zeuge. Sankholkar: „Das ist ein Angriff auf die Pressefrei­heit.“Heute, Mittwoch, wird der Prozess fortgesetz­t.

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[ APA, Fohringer] Der Hauptangek­lagte Ex-Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser und einer seiner Mitangekla­gten (re.): Ernst Karl Plech.
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[ APA, Fohringer] Richterin Marion Hohenecker.

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