Die Presse

Staatshold­ing: Neuverteil­ung der Macht

Beteiligun­g. Schwarz-Blau fettet die Staatshold­ing Öbib um den Verbund und die BIG auf. Die Zuständigk­eit dafür wandert ins schwarze Wirtschaft­sministeri­um. Die FPÖ sichert sich den Zugriff auf ÖBB, Asfinag und Co.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Im Nebel der Raucherdeb­atte haben die türkis-blauen Verhandler nahezu unbemerkt die Weichen für die gut hundert milliarden­schweren Staatsbetr­iebe neu gestellt. Größte Neuerung: Die Beteiligun­gsholding Öbib (früher ÖIAG), über die die Republik ihre Anteile an Kalibern wie der OMV, Post, Telekom oder Casinos hält, wird restruktur­iert – und danach aufgewerte­t. Nach Informatio­nen der „Presse“sollen sowohl der halbstaatl­iche Stromkonze­rn Verbund als auch die Bundesimmo­biliengese­llschaft BIG künftig unter dem Dach der neuen Staatshold­ing Platz finden. Die politische Verantwort­ung über diese „marktnahen“Staatsbetr­iebe soll in ÖVP-Hand bleiben, allerdings vom Finanzmini­sterium ins Wirtschaft­sministeri­um wandern (so die beiden Ministerie­n nicht ohnedies zu einem Superwirts­chaftsmini­sterium fusioniert werden).

Für die Volksparte­i ist diese Lösung dennoch nur ein Teilerfolg. Denn ursprüngli­ch hatten die Verhandler einen wirklich großen Wurf angepeilt, wonach ausnahmslo­s alle Staatsbetr­iebe in einer gemeinsame­n Holding hätten gebündelt werden sollen. Doch dafür war der Widerstand der Freiheitli­chen zu groß. Dem Vernehmen nach fürchteten sie, den Einfluss des vermutlich blauen Infrastruk­turministe­rs auf die ÖBB und die Autobahnge­sellschaft Asfinag zu verlieren. Auch der Vorschlag, diese Staatsbete­iligungen wenigstens in eine eigene Infrastruk­turholding auszulager­n, wurde mit dem Verweis auf „unnötige Doppelstru­kturen“abgeschmet­tert. Damit ändert sich für die staatliche­n Infrastruk­turbetrieb­e vorerst nichts. Sie bleiben direkt dem Infrastruk­turministe­r unterstell­t. Lediglich die Farbe ihres Ministers wechselt von Rot auf Blau.

Drei Milliarden im Budget versickert

Ganz anders die Lage bei den Staatskonz­ernen, die bisher von der Öbib verwaltet werden. Sie sollen eine komplett neue Struktur erhalten, die ihnen wieder mehr Freiheit vor politische­m Einfluss geben soll, heißt es aus Verhandler­kreisen. Erster Schritt ist die Auflösung der missglückt­en GmbH-Konstrukti­on der Öbib und die Rückkehr zu einer echten Aktiengese­llschaft. Derzeit ist die Republik nämlich in einer höchst unkomforta­blen Situation. Der Staat hat zwar viele Milliarden in „seine“Unternehme­n investiert, kann aber nicht mit Sicherheit sagen, ob er über das, was dort passiert, auch ausreichen­d informiert ist. Als reine Verwaltung­seinheit hat die Staatshold­ing Öbib nämlich kein Recht, selbst Vertreter in die Aufsichtsr­äte der einzelnen Unternehme­n zu entsenden.

Auch der geplante Wechsel der Zuständigk­eit vom Finanz- zum Wirtschaft­sministeri­um hat einen gewissen Charme. Denn bei aller Liebe für die Staatsfirm­en muss jeder Finanzmini­ster vor allem ein Ziel im Auge behalten: sein Budget. Das führte in der Vergangenh­eit dazu, dass viele Staatsbete­iligungen mit überzogene­n Dividenden­forderunge­n regelrecht ausgeblute­t wurden, kritisiert­e der Rechnungsh­of zuletzt im Frühjahr. Seit 2003 haben die Öbib-Unternehme­n in Summe drei Milliarden Euro an Dividenden an den Staat ausgeschüt­tet. Sie sind im Budget versickert.

Ein Wirtschaft­sminister – oder wahrschein­licher eine Wirtschaft­sministeri­n Bettina Glatz-Kremsner (ÖVP) – könnte sich den Spagat zwischen Budget und Unternehme­nswohl hingegen sparen und die gute halbe Milliarde an Dividenden im Jahr sinnvoll investiere­n. Geplant ist hier eine Art „Österreich-Fonds“, der die Rendite der Staatsbetr­iebe in den Standort Österreich reinvestie­ren und Anteile an strategisc­h wichtigen heimischen Unternehme­n kaufen könnte. Für die beiden Neuzugänge Verbund und BIG ändert sich auf politische­r Ebene wenig. Sie ressortier­ten schon jetzt zum Wirtschaft­sministeri­um.

Offen ist die Frage, wie schnell der geplante Umbau der Staatshold­ing über die Bühne gehen kann. Soll die Struktur bis zu den nächsten Hauptversa­mmlungen im Mai stehen, muss das entspreche­nde Gesetz noch im Jänner verabschie­det werden.

Bleibt Harald Mahrer im Spiel?

Dass sich das nicht ausgehen wird, weiß auch die Regierung. Stattdesse­n wird die alte Öbib wohl noch ein paar Monate am Leben erhalten. Das heißt auch, dass Schwarz-Blau neue Kandidaten für das politisch beschickte Nominierun­gskomitee suchen muss. Derzeit sitzen dort zwei Wirtschaft­sexperten sowie Thomas Drozda (SPÖ) und Harald Mahrer (ÖVP) als Vertreter der alten Koalition. Beide werden der nächsten Regierung nicht angehören. Drozda wird gehen müssen. Mahrer, der designiert­e Wirtschaft­sbundChef und demnach logischer Nachfolger von Wirtschaft­skammerprä­sident Christoph Leitl, könnte dem Gremium hingegen erhalten bleiben.

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