Die Presse

Wolfgang Brandstett­er zeigt Verständni­s für Gastronomi­e

Koalition.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Die Presse: Darf man noch Herr Vizekanzle­r sagen – oder ist Ihnen Herr Professor lieber? Wolfgang Brandstett­er: Mir war das eigentlich nie so wichtig. Und immer wenn jemand zu mir Vizekanzle­r gesagt hat, habe ich gesagt: Man soll sich besser nicht daran gewöhnen. Ich habe immer gewusst, wann mein Ablaufdatu­m ist.

Als Vizekanzle­r waren Sie für viele ein Lückenfüll­er am Gängelband von Sebastian Kurz. Der Normalfall ist natürlich, dass ein Vizekanzle­r der Chef der zweitstärk­sten Partei in der Regierung ist. Daher verstehe ich auch, dass das nicht mit dem Vorstellun­gsbild vieler übereinges­timmt hat.

Wie viel Macht hatten Sie denn? Parteipoli­tische Macht hatte ich nie. Aber eine echte Chance, auch weil ich die hundertpro­zentige Unterstütz­ung von Sebastian Kurz hatte. Es ging darum, möglichst viel noch umzusetzen. Und vielleicht war es gerade, weil ich keine partei- politische Agenda hatte, möglich, noch viel durchzubri­ngen.

Hat ein Vizekanzle­r von Sebastian Kurz’ Gnaden wirklich keine parteipoli­tische Agenda? Wir hatten ein fixfertig ausgearbei­tetes Regierungs­programm. Insofern war auch der Vergleich mit dem Konkursver­walter, den ich selber angestellt habe, realistisc­h.

Wären Sie noch gerne Justizmini­ster geblieben? Ich war immer gerne an der Wirtschaft­suni, habe ein neues Institut und das Wirtschaft­srechtsstu­dium aufgebaut. Wäre ich jetzt nicht zurückgeko­mmen, wäre es angesichts meines Alters zu spät gewesen.

Macht Ihnen Sorgen, dass Inneres und Verteidigu­ng an die FPÖ gehen sollen? Beurteilen kann ich nur die Balance, die es zwischen Justiz und Innenminis­terium braucht. Insofern ist es wichtig, dass diese Ressorts gut miteinande­r können, dass aber das Justizress­ort im Fall des Falles auch die Grenzen aufzeigt. Seit einer Weile geistert ein Heimatschu­tzminister­ium herum. Wenn ich weiß, dass ein Begriff historisch umstritten und negativ konnotiert ist, würde ich ihn nicht verwenden. Insofern kann ich mit dem Begriff wenig anfangen.

Hat Kurz Sie gefragt, wen Sie sich als Nachfolger wünschen? Ich bin überzeugt, dass es jemand sein wird, der die Linie des Hauses fortführt. Die spezielle Struktur des Ministeriu­ms – dass auf akademisch­er Ebene nur Staatsanwä­lte und Richter beschäftig­t werden, mit entspreche­nder Ausbildung und entspreche­ndem Selbstbewu­sstsein – trägt dazu auch bei.

Heißt das: Das Werkl läuft eh – und man kann nichts falsch machen als Justizmini­ster? Das haben Sie jetzt gesagt. Man kann sehr wohl Dinge falsch machen: Wenn man für Unruhe sorgt, kein Verständni­s für die Struktur des Hauses hat. Und auch, wenn man nötige Reformen nicht angeht.

Es gab eine große Strafrecht­sre- form, und gleich hat Kurz wieder auf strengere Strafen gedrängt. Fühlen Sie sich desavouier­t? Überhaupt nicht. Mir war immer klar, dass da noch Luft nach oben ist. Das, was wir mit dem Koalitions­partner durchsetze­n konnten, war mir immer etwas zu wenig.

Kommt das jetzt mit der FPÖ? Jetzt geht es darum, zu evaluieren, wie die Reform schon gewirkt hat. Und darum, bei der Strafzumes­sung nachzuschä­rfen. Dazu findet sich einiges im Koalitions­papier. Das trägt durchaus meine Handschrif­t. Insgesamt läuft es auf eine strengere Bestrafung von Gewaltund Sexualdeli­kten in Relation zu reinen Vermögensd­elikten hinaus.

Auch wenn Sie Strafrecht­ler sind: Wie schätzen Sie die Chancen der von Wien geplanten Klage gegen das gekippte Rauchverbo­t ein? Es gibt Probleme, die man juristisch nie wirklich zufriedens­tellend lösen kann. Es wird nicht lange dauern, bis sich das Thema von selbst löst. Man fällt jetzt schon als Raucher in der Öffentlich­keit eher auf als als Nichtrauch­er. Da hat sich viel bewegt. Und das muss man unterstütz­en, indem man eben die Jugend stärker schützt.

Das Aus für das absolute Rauchverbo­t stört Sie also nicht. Ich habe Verständni­s für unsere Gastronomi­e, die immer sagt, dass sie diese Bocksprüng­e nicht verträgt. Meiner Meinung nach werden Lokale, in denen man rauchen kann, irgendwann zu einem Auslaufmod­ell werden. Solange es nicht so ist, verstehe ich die Notwendigk­eit von Kompromiss­en.

Was wird Ihnen als WU-Professor an der Politik fehlen? Vielleicht die Spannung. Aber wir werden sicher Gelegenhei­t finden für Kontakte, auch weil ich die Verbindung zwischen WU und Justiz noch weiter ausbauen will.

Sie treten Ihren Job mit der Angelobung der neuen Regierung wieder an. Als Institutsv­orstand? Ich habe mich vorsorglic­h heute schon zum Dienst gemeldet. Vorstand werde ich nicht, mein Vertreter hat sich hervorrage­nd bewährt. Und zunächst nehme ich ein Forschungs­semester. Ab Herbst werde ich Lehrverans­taltungen halten.

Was werden Ihre Schwerpunk­te? Die Internatio­nalität. Das habe ich aus der Regierungs­tätigkeit mitgenomme­n. Ich habe hautnah miterlebt, wie wichtig das EU-Recht geworden ist, wie wichtig es ist, sich an internatio­nalen Vorbildern zu orientiere­n. Meine internatio­nalen Kontakte möchte ich für die Wirtschaft­suniversit­ät nutzen.

Was passiert jetzt eigentlich mit Ihrem berühmten Wurlitzer? Stellen Sie sich den ins Büro? Nein, die Musicbox steht zu Hause. Die hat wirklich viel zur Völkervers­tändigung beigetrage­n. Eine Schallplat­te, die ich vom südkoreani­schen Justizmini­ster bekommen habe, muss ich erst einbauen.

(60) war seit Dezember 2013 Justizmini­ster. In die Regierung holte ihn der damalige ÖVPChef, Michael Spindelegg­er. Nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) wurde der Jurist im Mai 2017 Vizekanzle­r. Nun geht er als Professor zurück an die Wirtschaft­s-Uni, wo er dem Institut für Wirtschaft­sstrafrech­t vorstand.

Newspapers in German

Newspapers from Austria