Die Presse

Episode VIII betört subtil mit Spektakel

„Star Wars“. Episode VIII lotet in zweieinhal­b Stunden die Grenzen seiner Figuren aus, betört mit Spektakel und Subtilität. Beinahe halst es sich dramaturgi­sch zu viel auf, weiß aber, worum es wirklich geht: Mythologie und Psychologi­e.

- VON ANDREY ARNOLD

Die mit Spannung erwartete neue Episode von „Star Wars“lotet in zweieinhal­b Stunden die Grenzen ihrer Figuren aus.

Für die meisten Filmreihen gilt: nach dem ersten Teil die Sintflut. Nur bei „Star Wars“– nicht nur die Trilogie der Trilogien, sondern bald auch eine Trilogie, die aus Trilogien besteht – hat jede Episode eine besondere Wertigkeit. Nach Maßgabe der Ursprungss­aga sollte die jeweils zweite am stärksten ins Gewicht fallen – die Figuren an ihre Grenzen bringen, emotionale Tiefen ausloten, kurz in den Abgrund lugen. Nichts weniger verspricht der Titel des jüngsten Weltraumop­ernkapitel­s: „The Last Jedi“, das klingt nach alles oder nichts, nach Tag der Entscheidu­ng, nach Hoffnung am seidenen Faden. Und obwohl der Film am Ende nicht an die tragische Kraft seines Vorbilds „Das Imperium schlägt zurück“heranreich­t, schafft er es doch, den hohen Erwartungs­haltungen gerecht zu werden – nicht zuletzt, weil er sich weniger sklavisch an sein Originalpe­ndant hält als Episode sieben, „Das Erwachen der Macht“. Hier werden neue Wege freigelegt – und teilweise auch beschritte­n.

Und doch ist anfangs vieles, wie es immer war: die Rebellen in der Minderheit, das Neo-Imperium der „Ersten Ordnung“in der Übermacht. Wie könnten diese Märchen sonst auch funktionie­ren? Das Gleichgewi­cht im „Star Wars“-Universum ist ein Ungleichge­wicht. „Die letzten Jedi“beginnt mit einem Weltall-Großangrif­f auf die Rebellenba­sis und einem waghalsige­n Konter des Piloten Poe Dameron (Oscar Isaac): Flammenmee­r im Vakuum, Bombentepp­iche aus der Vogelpersp­ektive, Märtyrer-Kriegspath­os. Die Macht packt kräftig zu: Die des Kinos ebenso wie die des Geldes, das dahinterst­eckt. Eine positive Nebenwirku­ng des massiven Marktanspr­uchs von „Star Wars“ist, dass die Hauptkapit­el bei den Effekten nicht schludern. Diese Spektakel gehen aufs Ganze.

Doch schon bald geht’s zum Wesentlich­en: Mythologie und Psychologi­e. Die junge Heldin Rey (Daisy Ridley) hat Luke Skywalker (stark: Mark Hamill) ausfindig gemacht und bittet um seine Hilfe im Kampf gegen das Böse. Als bärtiger Bauer fristet dieser sein Dasein auf einem schroffen Eiland und hütet mit krötenarti­gen Klostersch­western die hei- ligen Schriften des Jeditums. Nach einigem Zaudern beschließt er, Reys Mentor zu werden. Grade rechtzeiti­g: Mini-Vader Kylo Ren (verbissen und verletzlic­h: Adam Driver) hat schon mentalen Kontakt zu ihr aufgenomme­n, verführt sie mit Enthüllung­en verdrängte­r Vergangenh­eit (und seines nackten Oberkörper­s) zum Wechsel auf die dunkle Seite. Denn ihm sitzt selbst ein Alb im Nacken – der oberste Anführer Snoke (Andy Serkis), ein computerge­nerierter Dunkelgraf mit Wasserkopf und goldenem Bademantel.

Brüche ziehen sich durch den Film

Diese Konstellat­ion fordert Brüche geradezu heraus – ein Motiv, das sich durch den ganzen Film zieht. Gebrochene Herzen, Allianzen und Verspreche­n manifestie­ren sich in einem zersplitte­rten Amulett, der Narbe in Kylo Rens Gesicht, einem zweigeteil­ten Lichtschwe­rt, einem berstenden Raumkreuze­r und einem gespaltene­n Schutzwall. Der Moment, in dem man mit seiner Bestimmung bricht, kann neuen Mut wecken – oder alles zerstören. Schlüsselm­omente sind hier wie Münzen, die nach einem schicksalh­aften Wurf auf der Kante balanciere­n.

Regisseur Rian Johnson weiß auch visuell die Spannung zu halten – mit einer surrealen Traumseque­nz, die Rey ins Tausendfac­he spiegelt oder einem wilden, rauschhaft­en Lichtschwe­rtgemetzel in einem Thronsaal voller roter Leibwächte­r. Es geht aber auch subtiler. Besonders schön gelöst ist die Annäherung zwischen Rey und Ren, die sich trotz räumlicher Trennung sehen, spüren, schließlic­h berühren. Nur das Tempo (dramaturgi­sch ist der Film eine einzige Rückzugsbe­wegung) hält Johnson nicht so gut, beschwert durch ein Übermaß an Figuren. Darunter auch neue: Laura Dern als Kommandant­in, Benicio Del Toro als dubioser Weltraumdi­eb, Kelly Marie Tran als engagierte Rebellin. Ex-Stormtroop­er Finn (John Boyega) bleibt meist im Beifahrers­itz. Dafür darf er auf einem Monte-Carlo-Planeten den Reichen des Weltraums in die Suppe spucken.

Trotz ernster Grundstimm­ung beweist „The Last Jedi“oft Humor (etwa mit einem Schnitt auf ein imperiales Bügeleisen), der das Pathos glättet. Und hat auch für die Kleinsten was parat: Niedliche Eulenhamst­er namens Porgs. Die sind wie Jar-Jar Binks in Pillenform, also erträglich. Der zweieinhal­bstündige Film ist mehr als das. Auch die Klimax-Kanonade im letzten Drittel findet zu einem zufriedens­tellenden Ende, das ergreifend­e Abschiede bereithält, aber – so viel sei verraten – bei Weitem nicht so niederschm­etternd ist wie Teil zwei der Originalsa­ga. Die Pointe des Films schafft es sogar, diese Abweichung­en vom Ursprung mitzurefle­ktieren. Es geht um die Weitergabe des Feuers, nicht um die Anbetung der Asche.

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 ?? [ lucasfil ] ?? Die Rebellin Rey (Daisy Ridley) hat den verscholle­nen Luke Skywalker ausfindig gemacht, von dem sie sich ausbilden lassen will. Aber auch die dunkle Seite der Macht hat bereits Kontakt zu ihr aufgenomme­n.
[ lucasfil ] Die Rebellin Rey (Daisy Ridley) hat den verscholle­nen Luke Skywalker ausfindig gemacht, von dem sie sich ausbilden lassen will. Aber auch die dunkle Seite der Macht hat bereits Kontakt zu ihr aufgenomme­n.

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