Ist Niki noch zu retten?
Nach dem Nein der EU lässt die Lufthansa die Air-Berlin-Tochter fallen. Niki ist jetzt auch pleite – doch die Regierung kündigt schnelle Hilfe für gestrandete Passagiere an.
Wien. Es wurden schon Tickets für nächstes Jahr verkauft. Daraus dürfte nun nichts mehr werden, nicht einmal aus den Flügen ab Wien am heutigen Donnerstag: Die wurden Mittwochnachmittag gestrichen, nachdem sich die Ereignisse bei Niki, der Österreich-Tochter der insolventen Air Berlin, überschlagen haben. Nachdem die EU der Lufthansa die Genehmigung für die Übernahme von weiten Teilen der Air Berlin und der bisher nicht insolventen Niki verweigert hatte, zog die AUA-Mutter umgehend das Übernahmeangebot zurück. Und stellte sofort die Zwischenfinanzierung ein. Die Folge: Auch Niki ist pleite, die Berliner Justiz hat einen Insolvenzantrag erhalten. Hierzulande ist es die größte Insolvenz in diesem Jahr.
1 Warum hat die EU-Kommission die Übernahme von Niki nicht genehmigt?
Die EU-Kartellbehörde hat aus Wettbewerbsgründen schwere Bedenken. Sie hat „klar signalisiert“, dass eine Übernahme und Integration von Niki in die Lufthansa-Tochter Eurowings „aktuell nicht genehmigungsfähig“ist. Die Lufthansa hat zwar zuletzt weitere Zugeständnisse gemacht, indem sie anbot, Start- und Landerechte (sogenannte Slots) an Konkurrenten abzugeben. Doch das hat Brüssel offenbar nicht gereicht. Die Lufthansa bildet mit Swiss, AUA und Brussels die größte europäische Luftfahrtgruppe. Luftfahrtexperten geben zu bedenken, dass die Lufthansa möglicherweise zu hoch gepokert habe. Möglicherweise habe sich auch die Aussage des Air-Berlin-Generalbevollmächtigten Frank Kebekus, die Lufthansa sei und bleibe der einzig zuverlässige Kauf- interessent, als Schuss ins Knie erwiesen. Brüssel habe das möglicherweise als Drohung interpretiert.
2 Was bedeutet die Insolvenz für Mitarbeiter und Passagiere?
Air Berlin kündigte nun zwar an, einen alternativen Käufer zu finden. Niki Lauda, der die Airline übrigens ebenfalls aus der insolventen Aero Lloyd gegründet hatte, zeigt zwar nach wie vor Interesse – aber die Uhr tickt. Alexander Klikovits vom Kreditschutzverband von 1870 rechnet bald mit dem Insolvenzantrag. Der müsse laut Gesetz im Fall der Zahlungsunfähigkeit „unverzüglich“gestellt werden. Und zwar von Geschäftsführer Oliver Lackmann am Landesgericht Korneuburg, denn die Niki Luftfahrt GmbH hat ihren Sitz am Flughafen Wien-Schwechat. Auch die deutsche Bundesregierung, die die Entscheidung der EU-Kommission in puncto Niki „sehr bedauert“, wie Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, geht von Insolvenz und „Grounding“aus: Das heißt, die 28 Flugzeuge müssten noch am selben Tag am Boden bleiben. Damit säßen rund 60.000 Passagiere täglich fest und rund 800.000 Tickets wären wertlos. Bei Niki verlören rund 1000 Beschäftigte den Job. Auch die Slots von Niki wären verloren.
3 Wie könnte das Chaos in der Reisezeit um Weihnachten noch verhindert werden?
Die noch amtierende österreichische Regierung hat rasch reagiert: Die Minister Jörg Leichtfried, Hans Jörg Schelling und Thomas Drozda haben noch am Mittwochnachmittag beschlossen, dass gestrandete NikiPassagiere zurückgeholt werden. Ersten Schätzungen zufolge sind das bis zu 10.000 Reisende in den nächsten zwei Wochen. Dazu soll die AUA mit Charterflügen beauftragt werden, sagte Leichtfried-Sprecher Andreas Strobl zur „Presse“. Mit Nachdruck werde auch eine Zwischenfinanzierung geprüft. Allerdings macht der Regierungswechsel die Entscheidung nicht leichter. Leichtfried hatte einen Notkredit schon im Sommer in Aussicht gestellt, nachdem die deutsche Regierung 150 Millionen Euro bereitgestellt hatte, um Air Berlin in der Luft zu halten. Um einen Teil dieses Geldes muss Berlin nun nach dem Wegfall des Erlöses aus dem Niki-Verkauf bangen.
4 Gibt es überhaupt ernsthafte Kaufinteressenten?
„Mein Interesse ist aufrecht“, sagt Niki Lauda im Gespräch mit der „Presse“. Der Formel-1-Weltmeister und Airline-Unternehmer (Lauda Air und Niki) hatte mit der Thomas-Cook-Tochter Condor für Niki geboten. Er ist jedoch der Lufthansa und der britischen Billigairline Easyjt unterlegen. Letztere übernimmt einen kleinen Teil der AirBerlin-Flotte – der Deal wurde von der EU ohne Auflagen genehmigt. Er werde „die Sache“beobachten und gegebenenfalls die Airline aus der Pleite kaufen, sagte Lauda.
5 Hat eine kleine Fluglinie wie Niki überhaupt eine Chance?
Die Antwort gibt der Markt – und der ist vom extremen Wettbewerb und Preiskampf geprägt. Europas Luftfahrt ist äußerst zersplittert: Während in den USA – mit etwa gleich viel Bewohnern – vier große Fluglinien dominieren, tummeln sich in Europa abgesehen von Lufthansa, British Airways, Air France/KLM und Ryanair noch 150 kleinere Anbieter. Deshalb war das Geschäftsmodell von Lauda, Niki an die Air Berlin und deren Vertrieb, Ticketverkauf, Netzplanung und Marketing zu koppeln, richtig. Allein hat Niki kaum Chancen.