Die Presse

„Grasser hat Republik geschädigt“

Buwog-Verfahren. Tag der Anklage: Er habe „ein System der organisier­ten Korruption aufgebaut“, musste sich Karl-Heinz Grasser von den beiden Oberstaats­anwälten sagen lassen.

- DONNERSTAG, 14. DEZEMBER 2017 VON MANFRED SEEH

Tag der Anklage: Er habe „ein System der organisier­ten Korruption aufgebaut“, musste sich Karl-Heinz Grasser von den beiden Oberstaats­anwälten sagen lassen.

Wien. Es sind wahrlich schwere Schläge, die Karl-Heinz Grasser am zweiten Tag des Buwog-Prozesses einstecken muss. Der ehemalige Finanzmini­ster muss sich absprechen lassen, je zum Wohl der österreich­ischen Bevölkerun­g agiert zu haben. „Er hat Politik zum eigenen Vorteil gemacht. Er hat kassiert“, erklären die beiden Oberstaats­anwälte Alexander Marchart und Gerald Denk in ihrem Eröffnungs­vortrag.

Grasser, die Zentralfig­ur im Korruption­sprozess um den 2004 abgewickel­ten Verkauf von vier Bundeswohn­baugesells­chaften, wirkt klein – wie er da so sitzt, an einem einfachen Schreibtis­ch, den ihm die Justiz zur Verfügung stellt. Auf einem Podest, direkt vor ihm, ja über ihm, bauen sich die beiden Anklagever­treter in ihren schwarzen Talaren auf und halten – abwechseln­d sprechend – ihre geradezu vernichten­de Rede. Dann und wann mustern sie den Hauptangek­lagten mit einem kühlen Seitenblic­k – einen Angeklagte­n, den sie sogar mit einem eigenen Kürzel charakteri­sieren: „GGG“oder: „die drei ,G‘“. Wohl in Anlehnung an das einer Trademark gleichkomm­ende Namenskürz­el des Ex-Ministers, KHG, entwarfen die Korruption­sjäger die Begriffsko­mbination „Geld, Gier, Geheimniss­e“.

10,1 Millionen Euro an Bestechung­sgeldern, resultiere­nd aus dem Buwog-Verkauf und aus der ebenfalls von Grasser organisier­ten Einmietung von Finanzämte­rn in den Linzer Terminal Tower, sollen geflossen sein. Zahler seien eine Immofinanz-Tochter und eine Porr-Tochter gewesen. „Weil Magister Grasser die Fäden zog.“

Der ehemals strahlende FPÖVorzeig­epolitiker habe wegen seiner hohen Position „an den richtigen Rädchen drehen können“. Nach außen hin habe er sich aber zurückgeha­lten. Das Eintreiben und Verstecken der Gelder habe er anderen überlassen: seinen Freunden, den Lobbyisten Walter Meischberg­er (dieser sitzt nun im Gerichtssa­al direkt neben Grasser) und Peter Hochegger – sowie dem Immobilien­makler und früheren Buwog-Aufsichtsr­atschef Ernst Karl Plech. Letztere gehören nun freilich ebenfalls der 14-köpfigen Gruppe der Angeklagte­n an. Generalvor­wurf: Untreue zu Lasten der Republik. Das Quartett, also Grasser und seine Freunde, wird von Marchart und Denk so bezeichnet: „Das war eine verschwore­ne Viererband­e.“

„370 Jahre lange arbeiten“

10,1 Millionen Euro also. So als ob die beiden Anklagever­treter einen Kontrapunk­t zu ihrer extrem ausführlic­hen, steckenwei­se verschacht­elten und nur schwer lesbaren Anklagesch­rift schaffen wollen, werden sie nun plastisch: „Für 10,1 Millionen Euro müsste der Durchschni­ttsösterre­icher 370 Jahre arbeiten.“Bitterer Nachsatz: „Für 10,1 Millionen Euro brutto – davon müsste er noch Steuern zahlen.“Und darum gehe es: „Um Korruption und um Steuern.“Prompt folgt eine gut vorbereite­te Überleitun­g der Ankläger: „Sehen wir uns an, wer auf der Anklageban­k Platz genommen hat: Magister Grasser, der ehemalige Finanzmini­ster!“Weiter: „Er war nicht Teil der Lösung des Korruption­sproblems, er war Teil des Korruption­sproblems.“In dieser Tonart rollt am Mittwoch im Straflande­s- gericht Wien eine Angriffswe­lle nach der nächsten über Grasser hinweg: „Er hat seine Befugnis missbrauch­t. Er hat die Republik geschädigt. Den Schaden hatten alle Steuerzahl­er zu tragen.“

Gegenoffen­sive am dritten Tag

Das Bestechung­sgeld, also die zehn Millionen Euro, sei auf gleiche Teile unter den Mitglieder­n der „Viererband­e“aufgeteilt worden. Ein von Meischberg­er errichtete­s Liechtenst­ein-Konto sei Grasser „zuzurechne­n“. Ebendieser hat bisher immer alle Vorwürfe bestritten (für alle Genannten gilt die Unschuldsv­ermutung). Und darauf hingewiese­n, dass das besagte Konto Meischberg­er gehörte.

In einer spontanen Replik auf den Vortrag der Anklage spricht Grasser-Anwalt Manfred Ainedter von „Grimms Märchen“. Und kündigt für den Donnerstag eine umfassende Gegendarst­ellung an.

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[ APA, Fohringer] Hatten ihren großen Tag: die Vertreter der Korruption­sstaatsanw­altschaft, Alexander Marchart (li.) und Gerald Denk.

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