Die Presse

Die letzten Fragen

Schwarz-Blau. Am Samstag soll die neue Regierung stehen. In einem „Konklave“wollen ÖVP und FPÖ unter anderem noch klären, wer Finanzmini­ster wird. Die Vorgaben des Bundespräs­identen wurden erfüllt.

- VON THOMAS PRIOR

1 Wann ist mit einem Verhandlun­gsabschlus­s zu rechnen?

Die finale Verhandlun­gsrunde beginnt am Donnerstag­abend im Palais Epstein neben dem Parlament. In einer Art „Konklave“– so nennen es ÖVP und FPÖ – sollen dann bis Freitagnac­ht die letzten Kompromiss­e geschlosse­n werden. Am Samstagnac­hmittag, nachdem die Gremien beider Parteien zugestimmt haben, wollen Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache mit dem Programm und der Ministerli­ste an die Öffentlich­keit gehen.

2 Welche Kapitel im Koalitions­pakt sind noch nicht abgeschlos­sen?

Inhaltlich sei man sich weitgehend einig, hieß es am Mittwoch. Im Kapitel „Direkte Demokratie“bahnt sich ein Kompromiss zwischen den Forderunge­n der FPÖ (verpflicht­ende Volksabsti­mmung, wenn vier Prozent der Wahlberech­tigten ein Volksbegeh­ren unterschri­eben haben) und jenen der ÖVP (zehn Prozent) an. Grundrecht­s- und Budgetfrag­en werden ausgeklamm­ert. Auch über einen EU-Austritt soll nicht abgestimmt werden können.

3 Wie werden die Ressorts zwischen den Koalitions­partnern verteilt?

Es soll weiterhin 14 Ministerie­n und zwei Staatssekr­etariate geben – darüber sind sich Kurz und Strache einig. Im Verhandlun­gsfinale geht es jetzt um die Aufteilung. Wenn die FPÖ das Innen- und das Verteidigu­ngsministe­rium bekommt, muss sie sich insgesamt wohl mit sechs Ressorts begnügen, während acht an die ÖVP gehen. Andernfall­s wird – wie unter Rot-Schwarz – geteilt. Zusätzlich darf jede Partei einen Staatssekr­etär nominieren.

4 Welche Ministerie­n gehen an die ÖVP – und wer soll sie führen?

Sebastian Kurz nimmt die wesentlich­en EU-Agenden – Vorbereitu­ng auf die Ratspräsid­entschaft 2018, Koordinati­on der österreich­ischen EU-Politik – ins Kanzleramt mit. Dort wird es weiterhin einen Minister geben, der auch für Kultur und Medien zuständig ist, nämlich den Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel.

Das Finanz- und das Wirtschaft­sministeri­um, das wie unter Wolfgang Schüssel mit den Arbeitsage­nden verknüpft werden könnte, bleiben bei der ÖVP. Eines der beiden Ressorts ist für Vizepartei­chefin Bettina Glatz-Kremsner reserviert. Natürlich gibt die Volksparte­i auch die Landwirtsc­haft nicht ab. Die Frage dort ist eher, ob Andrä Rupprechte­r bleiben kann.

Sollte das Innenminis­terium freiheitli­ch werden, übernimmt die ÖVP das Justizmini­sterium. Diese Teilung war eine der Bitten – manche sagen Bedingunge­n – von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen (siehe dazu letzte Antwort). Wahrschein­lich ist, dass das Bildungsre­ssort samt Unis und Kindergärt­en schwarz wird. Und dass das Frauenmini­sterium von der Gesundheit getrennt wird. Es könnte wieder den Familien angegliede­rt werden. Oder der Bildung.

5 Welche Jobs bekommen Elisabeth Köstinger und Wolfgang Sobotka?

Das ist offen und hängt womöglich zusammen. Sollte Elisabeth Köstinger doch in die Regierung wechseln, weil Kurz den Frauenante­il erhöhen und die murrende WestAchse in der ÖVP zufriedens­tellen möchte, könnte der ursprüngli­che Plan in Kraft treten, wonach Wolfgang Sobotka Nationalra­tspräsiden­t wird. Sonst war der Noch-Innenminis­ter schon Kandidat für fast alle Ressorts, zuletzt auch für das Finanzmini­sterium.

Köstinger brächte die fachlichen Voraussetz­ungen für das Landwirtsc­haftsminis­terium mit, kommt aber offenbar auch für das Bildungsre­ssort oder ein Zukunftsmi­nisterium mit Bildung und anderen Themenbere­ichen infrage.

6 Welche Ressorts bekommen die Freiheitli­chen?

Die parteifrei­e Karin Kneissl wird auf einem FPÖ-Ticket Ressortche­fin in einem ausgedünnt­en Außenminis­terium. Neben den zentralen EU-Agenden könnte ihr auch noch die Integratio­n abhandenko­mmen. Darüber dürfte im „Konklave“aber noch gefeilscht werden. Herbert Kickl scheint als Innenminis­ter durch zu sein – ebenso Norbert Hofer als Verkehrs- und Infrastruk­turministe­r. Stand Mittwoch wird auch das Sozialmini­sterium freiheitli­ch und um die Gesundheit erweitert. Außerdem will die FPÖ das Verteidigu­ngsministe­rium. Die Frage ist, welches Ressort der Vizekanzle­r bekommt. Zwischenze­itlich wurde kolportier­t, dass rund um die Themen Katastroph­enschutz und Tourismus ein neues Heimatschu­tzminister­ium für Heinz-Christian Strache gezimmert werden könnte.

7 Wie steht Alexander Van der Bellen zu den schwarz-blauen Plänen?

Heute, Donnerstag, informiert Kurz den Bundespräs­identen über den Stand der Dinge. Die Angelobung ist für Montag oder Dienstag vorgesehen. Davor will Alexander Van der Bellen noch Gespräche mit jenen Regierungs­mitglieder­n führen, die er noch nicht kennt. Um sich ein Bild zu machen, wie es heißt.

Dass er den einen oder anderen Minister ablehnen könnte, glaubt man nicht einmal mehr in der FPÖ. Kurz und Strache haben ihre Personalpl­äne laufend mit Van der Bellen abgestimmt. So kam auch Karin Kneissl in die Ziehung: Sie ist der Kompromiss zwischen dem unbedingte­n FPÖ-Wunsch nach dem Außenamt und Van der Bellens Sorgen wegen der internatio­nalen Resonanz auf einen freiheitli­chen Außenminis­ter.

Auch die Idee, die wichtigste­n EU-Agenden dem Bundeskanz­ler zu unterstell­en, soll zumindest teilweise von Van der Bellen stammen. Auf diese Weise will das Staatsober­haupt verhindern, dass die Regierung von der FPÖ auf einen antieuropä­ischen Kurs geführt wird.

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