Christian Kern: Ein bisschen Kanzler, ein bisschen Widerstand
Parlament. Der SPÖ-Chef muss sich noch an seine neue Rolle als Oppositionspolitiker gewöhnen. Am Mittwoch konnte er im Nationalrat üben.
Christian Kern hat sich gut vorbereitet. Eineinhalb Stunden lang saß er im Nationalratssaal – erste Reihe, zurechtgerückte Brille – und konzentrierte sich auf den Inhalt seiner Aktenmappe.
Er schaute auf ein Blatt Papier, als Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) eine Rede zur Sicherheitslage hielt. Er hörte auch nur halb zu, als Alma Zadic von der Liste Pilz ihre erste Rede als Abgeordnete hielt. Nur als sein Justizsprecher, Johannes Jarolim, gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz rhetorisch ausholte, hob er seinen Blick. Am Ende hatte er seine Rede parat: Zusammengestückelt aus den ausgedruckten Informationen, handschriftlich notiert auf einige Blätter Papier.
Jetzt steht er am Rednerpult, in einer zwiespältigen Rolle. Kern ist noch ein bisschen Kanzler, hauptsächlich SPÖ-Vorsitzender und bald Vollzeit-Klubobmann der größten Oppositionspartei im Par- lament. Daran muss sich die SPÖ noch gewöhnen, vor allem aber muss Christian Kern noch üben.
„Ein Rodeo der Rückschritte“
Dementsprechend klingt auch seine Ansprache, in der zweiten Nationalratssitzung dieser Legislaturperiode – staatsmännisch im Ton, aber recht angriffig im Inhalt: „Wir werden die neue Regierung an den Taten messen, aber auch an den Erwartungshaltungen, die geweckt worden sind.“Die Österreicher würden aber gerade ein „Rodeo der Rückschritte“erleben. Was er damit meint? Das Ende der „Aktion 20.000“für Langzeitarbeitslose, oder den Stop des totalen Rauchverbots. „Ich muss ehrlich sagen, ich kann der Idee, die direkte Demokratie auszubauen, jetzt einiges abgewinnen“, sagt Kern dazu. „Denn ich bin überzeugt, das erste Volksbegehren, das Sie ernten werden, wird eines der Zi- vilgesellschaft gegen das Aufheben des Rauchverbots sein.“Dann meint er noch ganz allgemein in Richtung ÖVP und FPÖ: „Wir werden hier in diesem Haus Widerstand leisten.“
Diejenigen, die er persönlich adressiert hat, sind allerdings nicht da: Der Sessel von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist leer, die Regierungsbank sowieso. Sobotka, der zuvor noch dort gesessen ist, nimmt für Kerns Rede demonstrativ auf seinem Abgeordnetensitz Platz. Als Kurz zehn Minuten nach Kerns Rede eintrifft, setzt auch er sich zu seinen Parlamentskollegen.
Das spornt die SPÖ dann doch noch an, in den Oppositionsmodus zu wechseln. Ex-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek ruft ihn in der Rede dazu auf, sein Handy doch bitte wegzulegen und ihr zuzuhören. Und als die schwarze Abgeordnete Michaela Steinacker am Rednerpult den Vorschlag der Sozialdemokraten für bessere Bedingungen für Alleinerzieherinnen ablehnt, hört man aus den roten Reihen mehrmals: „Unfassbar!“und „Das ist herzlos!“.
Noch mehr Zwischenrufe erhält nur Robert Lugar (zuerst FPÖ, dann BZÖ, Team Stronach und nun wieder FPÖ) – sodass Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger offenbar kurz überlegt, einzugreifen. „Reden Sie mit den Leuten“, rufen die Sozialdemokraten – gemeinsam mit ein paar anderen Sagern, die nicht bis auf die Zuschauergalerie hallen, aber Kern amüsieren. Lugar bedankt sich im Gegenzug dafür, „dass wir nach der Wahl die Möglichkeit haben, den Sozialismus hinter uns zu lassen.“
Politiker-Gehälter eingefroren
Am Ende sind sich Nationalratsabgeordneten aber einig: Zumindest beim Beschluss, im kommenden Jahr Politikern (wieder) keine Inflationsanpassung beim Gehalt zu gewähren. Dafür übersteigt der Abschluss für den Öffentlichen Dienst die Teuerungsrate: Die Beamten erhalten im kommenden Jahr ein Plus von 2,33 Prozent.