Die Presse

Erdo˘gan hetzt gegen Israel

Türkei. Die Organisati­on für Islamische Zusammenar­beit hat Ost-Jerusalem zur Hauptstadt Palästinas erklärt. Eine gemeinsame Antwort zu Trumps Israel-Erklärung kam nicht zustande.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE GÜSTEN

Istanbul. Die Bekräftigu­ng völlig unumstritt­ener Positionen ist ein bewährtes Mittel der Diplomatie, wenn ein Konsenspap­ier her muss, ohne dass es einen Konsens gibt. Auf diese Methode besannen sich die 57 Staaten der Organisati­on für Islamische Zusammenar­beit (OIC) bei ihrem Treffen am Mittwoch in Istanbul: Unter der Leitung der Gastgeberi­n Türkei wurde eine 23 Punkte umfassende Abschlusse­rklärung verabschie­det, in der die kürzliche Jerusalem-Entscheidu­ng der USA kritisiert wurde.

Die islamische Welt erkenne Ost-Jerusalem als Hauptstadt der Palästinen­ser an, hieß es darin – was vor allem von der türkischen Seite als historisch­er Durchbruch verkauft wurde. Allerdings steht dieses Bekenntnis schon seit Jahrzehnte­n in der Satzung der OIC.

Noch während die Delegierte­n zusammensa­ßen, zeigte sich zudem, dass nicht alle islamische­n Länder an einem Strang ziehen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ hatte als derzeitige­r Ratsvorsit­zender das OIC-Sondertref­fen einberufen, um Donald Trump eine gemeinsame Antwort der islamische­n Welt zu geben. Trumps Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels und seine Ankündigun­g, die US-Botschaft von Tel Aviv dorthin zu verlegen, war zwar in vielen muslimisch­en Nationen kritisiert worden, allerdings in unterschie­dlicher Schärfe. Viele Staaten wollen es sich nicht mit den USA verderben.

Erdogan˘ zog gegen Israel vom Leder. „Das Schicksal Jerusalems kann nicht einem Land überlassen werden, das sich von Blut ernährt und seine Grenzen erweitert, indem es Kinder, Zivilisten und Frauen brutal ermordet.“Und dem US-Präsidente­n rief er zu: „Hey Trump, stehst du hinter diesem Israel? Hier gibt es Besatzung, hier gibt es Folter, hier gibt es Terror.“

Saudi-Kronprinz in Israel

Erdogan˘ versuchte, die Delegierte­n auf eine scharfe Linie gegenüber den USA einzuschwö­ren. Er nannte Israel einen „Besatzungs­staat“und einen „Terrorstaa­t“und warf Washington vor, nicht an der Seite der friedliebe­nden Kräfte im Nahen Osten zu stehen. Das mache Frieden unmöglich.

Palästinen­serpräside­nt Mahmoud Abbas betonte, die USA hätten sich als Vermittler zwischen Israel und den Palästinen­sern disqualifi­ziert. Trump wolle Jerusalem den Israelis zum „Geschenk“machen, ganz so, als ob der US-Präsident allein über die Angelegenh­eit entscheide­n könne. „Nie“wieder könnten die USA beim Friedenspr­ozess eine Rolle spielen, sagte er. Schon vor der Konferenz in Istanbul hatte er diese Haltung in die Tat umgesetzt, indem er ein Treffen mit US-Vizepräsid­ent Mike Pence ausschlug, der in den kommenden Tagen in Nahost erwartet wird.

So weit wie Abbas wollen andere trotz der teilweise scharfen Rhetorik nicht gehen. So erneuerte die Abschlusse­rklärung zwar die ohnehin längst beschlosse­ne Position einer Anerkennun­g Ost-Jerusalems als Hauptstadt eines künftigen Palästinen­ser-Staates und forderte die internatio­nale Gemein- schaft auf, Palästina als Staat und Ost-Jerusalem als besetzte Palästinen­ser-Hauptstadt zu betrachten. Auch wird Trumps Jerusalem-Ankündigun­g für null und nichtig erklärt. Doch anders als bei Trump gab es in dem Abschlussp­apier keinerlei Festlegung auf Konkretes: Von einer Verlegung muslimisch­er Botschafte­n nach Ost-Jerusalem war keine Rede. Auch Erdogans˘ Ankündigun­g, die Beziehunge­n zu Israel abzubreche­n, wurde nicht mehr erwähnt.

Ohnehin lautet die Frage, wie viel die gemeinsame Haltung der OIC wert ist. Saudiarabi­en etwa, das als Hüterin der heiligen Städte Mekka und Medina sowie als Partner der USA eine Schlüsselr­olle spielt, geht offenbar eigene Wege. Noch während die Konferenz von Istanbul tagte, bestätigte der israelisch­e Geheimdien­stminister Yisrael Katz gegenüber der Zeitung „Haaretz“, er habe den saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman nach Israel eingeladen.

Diese Verbindung­en entspreche­n dem Kalkül der Trump-Regierung. Sie will eine neue Allianz aus Saudiarabi­en, anderen Golfstaate­n und Israel bilden, um gegen die Machterwei­terung des gemeinsame­n Gegners Iran in der Region vorgehen zu können.

 ?? [ AFP ] ?? Der türkische Präsident Erdogan˘ stilisiert sich als Machtzentr­um der islamische­n Welt, links von ihm Jordaniens König Abdullah, rechts Palästinen­serpräside­nt Abbas.
[ AFP ] Der türkische Präsident Erdogan˘ stilisiert sich als Machtzentr­um der islamische­n Welt, links von ihm Jordaniens König Abdullah, rechts Palästinen­serpräside­nt Abbas.

Newspapers in German

Newspapers from Austria