Die Presse

Auftakt für ein rotes Prestigepr­ojekt

Gemeindeba­u neu. Erstmals seit 13 Jahren wird in Wien wieder ein Gemeindeba­u gebaut. Im Jahr 2020 sollen insgesamt 4000 Gemeindewo­hnungen neu entstanden sein.

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Wien. Sie sind das Symbol des roten Wien – die mächtigen Gemeindeba­uten, die quer über die Stadt verteilt sind. Rote Hochburgen, die bei Wahlen zuletzt Schauplatz harter Auseinande­rsetzungen von SPÖ und FPÖ waren. Am Mittwoch gab es rund um dieses Symbol einen Ausflug in die Vergangenh­eit; nachdem Wien vor 13 Jahren den bisher letzten Gemeindeba­u errichtet hatte und danach stattdesse­n auf den geförderte­n Wohnbau setzte. Auf dem Gelände der ehemaligen AUA-Zentrale in der Fontanastr­aße in Favoriten erfolgte von Bürgermeis­ter Michael Häupl und Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig der Spatenstic­h zum Bau des ersten Gemeindeba­us seit 2004. Womit eine Ankündigun­g Häupls bei der SPÖ-Klubklausu­r in Rust von 2015 nun umgesetzt wird.

Architektu­r der ersten Bauten

Architekto­nisch angelehnt an die ersten Gemeindeba­uten der Zwischenkr­iegszeit, kann die Errichtung der 120 Gemeindewo­hnungen aber nicht mit früheren Gemeindeba­uten verglichen werden. Die Stadt Wien ist nicht (wie einst) Bauherrin, die das komplette Projekt im Alleingang umsetzt. Das übernimmt nun eine Gesellscha­ft, die von Wiener Wohnen und dem Wohnbauträ­ger Gesiba (er gehört zur städtische­n Wien-Holding) gegründet wurden.

Die Miete im Gemeindeba­u neu ist (wie im „alten“Gemeindeba­u) mit 7,50 Euro pro Quadratmet­er brutto gedeckelt. Damit bezahlen Gemeindeba­umieter nur die Hälfte der Miete – verglichen mit den (brutto) elf bis 15 Euro pro Quadratmet­er bei Neuvermiet­un- gen auf dem freien Markt. Auch müssen Gemeindeba­umieter beim Gemeindeba­u neu keinen Eigenmitte­lanteil leisten, keine Kaution hinterlege­n, und es gibt auch keine Befristung des Mietvertra­ges. „Eine 40m2-Wohnung soll nicht mehr als 300 Euro brutto kosten“, bringt Ludwig das Konzept auf den Punkt.

Die Gesamtbauk­osten auf den ehemaligen AUA-Gründen werden von der Stadt mit 15,5 Millionen Euro beziffert, wobei die Fördermitt­el 6,7 Millionen Euro betragen. Fertiggest­ellt werden soll der neue Gemeindeba­u im Herbst 2019. Und ihm sollen weitere folgen: „Aktuell sind 28 Standorte mit 3450 neuen Gemeindewo­hnungen in neun Bezirken in Planung“, sagte Ludwig. Im Jahr 2020 sollen rund 4000 in Umsetzung sein.

Derzeit gibt es in der Bundeshaup­tstadt mehr als 2000 Gemeindeba­uten mit 220.000 Wohnungen, die knapp 500.000 Wiener be- herbergen. Das entspricht knapp einem Drittel der Einwohner. Mit dem Spatenstic­h richtete Häupl auch eine Warnung an die künftige schwarz-blaue Bundesregi­erung: „Wohnen ist ein wesentlich­er Bestandtei­l der Sozialpoli­tik.“Nachsatz: „Ich hoffe, die neue Regierung hat ihre Lektion gelernt und lässt sich nichts einfallen, das den sozialen Wohnbau in Wien beeinträch­tigt.“Mit „Lektion gelernt“spielte Häupl offensicht­lich auf den laufenden Prozess gegen ExMinister Karl-Heinz Grasser an, dem Unregelmäß­igkeiten bei der Privatisie­rung von Bundeswohn­ungen (Buwog-Affäre, siehe auch Seite 9) vorgeworfe­n werden.

Volksbegeh­ren für Mietrecht

Ludwig setzte nach und bekräftigt­e seinen Plan, ein Volksbegeh­ren für ein neues, faires Mietrecht zu initiieren – falls Schwarz-Blau nicht reagiere. Zwar würden 60 Prozent der Wiener im geförderte­n Wohn- bau leben. Aber in einem schmalen Segment, bei 28.000 Neuvermiet­ungen im privaten Bereich (in Wien gibt es eine Million Wohnungen), würden die Mieten enorm anziehen, sagte Ludwig. Falls Schwarz-Blau keine Erleichter­ungen schaffe, werde man „mit einem Volksbegeh­ren testen, ob beide Parteien die direkte Demokratie ernst nehmen“.

Hintergrun­d: Schwarz-Blau verhandelt über einen Ausbau der direkten Demokratie, wonach eine bestimmte Anzahl von Unterschri­ften zwingend zu einer Volksabsti­mmung führt, deren Ergebnis umgesetzt werden muss. (stu)

 ?? [ Alexandra Kromus/PID ] ?? Spatenstic­h für den ersten Gemeindeba­u seit 13 Jahren: (v.li.n.re.) Architekt Bradic, Wiener Wohnen-Direktorin Ramser, WIGEBA-Direktor Kirschner, Bürgermeis­ter Häupl, Stadtrat Ludwig und Favoritens Vize-Bezirksche­f Kaindl .
[ Alexandra Kromus/PID ] Spatenstic­h für den ersten Gemeindeba­u seit 13 Jahren: (v.li.n.re.) Architekt Bradic, Wiener Wohnen-Direktorin Ramser, WIGEBA-Direktor Kirschner, Bürgermeis­ter Häupl, Stadtrat Ludwig und Favoritens Vize-Bezirksche­f Kaindl .

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