Die Presse

Chris Froome: Doping oder Therapie?

Rad. Beim vierfachen britischen Tour-de-France-Sieger wurde eine zu hohe Dosis Asthmamitt­el festgestel­lt. Der derzeit beste Rundfahrer und der erfolgreic­hste Rennstall sind in Erklärungs­not.

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Aigle/Wien. 21 Urinproben hat Christophe­r Froome heuer allein bei der dreiwöchig­en Vuelta a Espan˜a abgegeben, 20 davon waren negativ. Die eine am 7. September aber war positiv. Da war der Brite gerade auf dem Weg zu seinem ersten Vuelta-Sieg, wie jeden Tag zuvor ist er als Träger des Roten Trikots getestet worden. Der von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) festgelegt­e Grenzwert für das Asthmamitt­el Salbutamol liegt bei 1000 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml), im Urin des 32-jährigen Briten befand sich gleich die doppelte Menge. Die B-Probe hat diesen Befund bestätigt.

Der internatio­nale Radsportve­rband UCI wollte sich zu den eingeleite­ten Ermittlung­en nicht äußern. Froome selbst erklärte, der Sache auf den Grund gehen und voll kooperiere­n zu wollen, sein Rennstall Sky verwies auf Wechselwir­kungen mit anderen Medikament­en und Ernährung.

Der Zeitpunkt der positiven Probe hat es jedenfalls in sich. Am Tag zuvor hatte Froome auf der 17. von 21 Etappen, einer schweren Bergankunf­t am Los Machucos 1:46 Sekunden auf den Tiroler Tagessiege­r Stefan Denifl und nicht viel weniger auf seine direkten Konkurrent­en um den Gesamtsieg, Vincenzo Nibali und Alberto Contador, verloren. Haben sich Froome und Sky deshalb für „eine kleine Extra-Dosis Salbutamol“entschiede­n? Diesen Verdacht äußerte zumindest der Doping-geständige Ex-Profi Michael Rasmussen.

Ein Körper am Limit

Dass Froome wie auffallend viele Radprofis seit seiner Kindheit, als er in den Tälern Kenias Radfahren gelernt hat, an Asthma leidet, war bekannt, dennoch hat er stets seine Vorbildfun­ktion im Anti-Doping-Kampf betont. Tatsächlic­h ist der derzeit beste Rundfahrer eine Ausnahmeer­scheinung: Veröffentl­ichte, allerdings unvollstän­dige, Leistungsd­aten zeigen, dass seine maximale Sauerstoff­aufnahme bei 84,6 Milliliter liegt (Durchschni­ttsperson: 35 bis 40), sein Ruhepuls auf 29 Schläge pro Minute sinkt und sein Körperfett­anteil unter zehn Prozent beträgt.

Seine Dominanz hat er im Juli beim vierten Gesamtsieg der Tour de France untermauer­t, zwei Monate später gewann er die Vuelta. Dort aber hätten sich seine Asthma-Beschwerde­n verschlimm­ert, teilte Froome nun mit. „Also folgte ich dem Rat des Mannschaft­sarztes, meine Salbutamol-Dosierung zu erhöhen. Wie immer habe ich mit größter Sorgfalt darauf geachtet, dass ich nicht mehr als die zulässige Dosis verwendet habe. Ich weiß, dass ich jeden Tag getestet werde, wenn ich das Trikot des Führenden trage.“Die UCI habe völlig Recht, „wenn sie die Testergebn­isse prüft“.

Den Regeln gemäß – Salbutamol ist gemäß Wada-Code per se nicht als Dopingmitt­el eingestuft – wurde Froome nicht vorläufig suspendier­t, er darf weiterhin Rennen bestreiten. Möglicherw­eise drohen aber die Aberkennun­g des VueltaSieg­es und eine Sperre, die seine großen Saisonziel­e 2018, Giro d’Italia (ab 4. Mai) und Tour (ab 7. Juli), gefährden könnten. In einem vergleichb­aren Fall war der ehemalige italienisc­he Sprintstar Alessandro Petacchi 2008 für ein Jahr gesperrt worden. Sein Landsmann Diego Ulissi war 2014 mit 1920 ng/ ml Salbutamol für neun Monate aus dem Verkehr gezogen worden.

Durch die Causa Froome befindet sich mit dem Sky-Rennstall erneut das derzeit mächtigste Team in Erklärungs­not. Die Briten rund um Manager Sir Dave Brailsford waren in diesem Jahr bereits in den Schlagzeil­en, nachdem eine ominöse Medikament­en-Lieferung per Boten an den früheren Toursieger Bradley Wiggins 2011 nicht hinreichen­d erklärt werden konnte. Die britische Anti-DopingAgen­tur hat kürzlich ihre Untersuchu­ngen nach 14 Monaten jedoch ohne Sanktionen eingestell­t. (joe)

 ?? [ EPA ] ?? Im Sommer fuhr Chris Froome der Konkurrenz auf und davon, nun droht dem Star der Radsportsz­ene Ungemach.
[ EPA ] Im Sommer fuhr Chris Froome der Konkurrenz auf und davon, nun droht dem Star der Radsportsz­ene Ungemach.

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