Die Presse

Brauchen wir Politiker mit Armutsgelü­bde?

Der Politikerv­erzicht auf Lohnerhöhu­ng ist purer, sinnloser Populismus.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D ie Politiker im Bund verzichten auf die ihnen für 2018 zustehende Lohnerhöhu­ng. So, wie sie das in den vergangene­n Jahren schon mehrfach gemacht haben. Alle fünf Parlaments­parteien tragen die von Türkis-Chef Sebastian Kurz angeregte Maßnahme mit.

Nobel, nicht? Eigentlich verdienen sie es ja eh nicht, oder? Sind ja durch die Bank unfähig und korrupt. Jeder Stammtisch im Land wird das gerne bestätigen.

Man kann es freilich genauso gut als „populistis­che Selbstentw­ertung der Politik“sehen, wie das der Politikwis­senschaftl­er Hubert Sickinger tut. Der hat vorgerechn­et, dass die Politikere­ntlohnung in den vergangene­n 20 Jahren um ein Drittel hinter der Entwicklun­g der Kollektivv­ertragslöh­ne zurückgebl­ieben ist. In Relation zum Durchschni­ttsösterre­icher sind Politiker also „ärmer“geworden.

Keine Angst, man muss noch keine Kollekte auflegen. Von Politikere­inkommen im Bund kann man noch recht gut leben. Aber die Diskussion läuft dramatisch falsch. Und Spitzenpol­itiker selbst machen, um beim Boulevard zu punkten, auch noch heuchleris­ch mit.

Im wirklichen Leben korreliert die Bezahlung normalerwe­ise mit Faktoren wie Qualifikat­ion, Leistung, Ausbildung, Einsatz und Output. Unternehme­n, die dabei zu sehr sparen, bleiben im Rennen um die besten Leute auf der Strecke. Oder, wie es die Angelsachs­en ein bisschen derber ausdrücken,: „If you pay peanuts, you’ll get monkeys.“D as kann im Management des Staates, bei dem es ja um unser aller Wohlstand geht, niemand wollen. Wir sollten also nicht über die Relation von Politikere­inkommen zum Durchschni­tt reden, sondern über deren Relation zur Leistung. Da sieht es bei einigen düster aus, bei anderen wieder nicht. Und ja: Leistung kann man messen, wenn man will. Auch bei Politikern.

Wir brauchen keine Top-Politiker mit Armutsgelü­bde, sondern solche, die etwas weiterbrin­gen. Wenn sie das tun, sollen sie auch angemessen verdienen. Wenn nicht, dann eben nicht. Über diese Kriterien sollten wir reden. Populistis­che Befriedigu­ng der Stammtisch­e bringt uns dagegen nicht vorwärts.

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