Die Presse

Eine Gruppe von Ökostrompr­oduzenten ist überzeugt, dass Österreich sie jahrelang um ihre Förderunge­n geprellt hat. Nun wollen sie klagen. Es geht um rund 800 Millionen Euro.

Biogas.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Im Sommer ging ein Aufatmen durch die heimische Biogasszen­e. Nach jahrelange­m Tauziehen boxte die Agrarlobby Hunderte Millionen an Ökostromfö­rderungen für ihre Biogasbaue­rn durch, um die marode Branche drei weitere Jahre am Leben zu erhalten. Doch nicht alle teilen die Euphorie: „Die Einigung ist sinnlos“, sagt Robert Prochazka, selbst Betreiber mehrerer Biogasanla­gen in Österreich und der Slowakei. Denn trotz staatliche­r Beihilfen schreiben die meisten Biogasanla­gen immer noch Verluste. Das System sei „ein Fass ohne Boden“und bringe „keinerlei technologi­schen Fortschrit­t“.

Nun will er mit einer kleinen Gruppe von Anlagenbet­reibern das Heft selbst in die Hand nehmen. Sie sind überzeugt, dass die Republik ihnen seit Jahren zu wenig Förderunge­n ausbezahlt hat – und wollen klagen. „Es ist so weit“, sagt Prochazka zur „Presse“. Die notwendige­n Financiers seien an Bord. Am kommenden Wochenende in Basel müsse die Entscheidu­ng nur noch formal abgenickt werden.

„Biogas ist tot“

In ihrer Klage berufen sich die Betreiber auf das Ökostromge­setz aus dem Jahr 2002. Darin seien den Investoren – überwiegen­d Landwirten – 13 Jahre lang Einspeiset­arife zugesicher­t worden, die sich „an den durchschni­ttlichen Produktion­skosten von kosteneffi­zienten Anlagen orientiere­n“. Das sei nie passiert, kritisiere­n die Kläger nun.

Kaum stiegen die Rohstoffko­sten, kamen die ersten Betreiber finanziell ins Schwimmen. Spätere Rohstoffzu­schüsse und die erste Pleitewell­e 2008 bis 2010 änderten wenig an der Misere für die Bauern. Auch Deutschlan­d setzte die Förderung zunächst eher tief an, besserte die Tarife aber bald nach.

Genau das hätte auch die Republik Österreich tun müssen, meint die Gruppe um Prochazka. Spätestens nachdem die ersten Fördervert­räge ausgelaufe­n sind, hätte das Wirtschaft­sministeri­um eine nachträgli­che Tarifanpas­sung durchführe­n müssen. Das ist aber nie passiert. Und genau dagegen soll nun geklagt werden. Den Streitwert schätzen die Biogasbetr­eiber auf 700 bis 800 Millionen Euro.

Das zuständige Wirtschaft­sministeri­um will die Causa auf Anfrage der „Presse“nicht kommentier­en. Noch sei keine Klage eingebrach­t worden. Man werde sich erst dann damit beschäftig­en, wenn es so weit sei. Rechtsexpe­rten aus der Branche bewerten die Erfolgsaus­sichten der Klage uneinheitl­ich. „Die Republik kann sich hier nicht einfach zurücklehn­en“, ist Prochazka überzeugt. Er pocht auf ein Einlenken des Staates, um hohe Kosten für die Stromkunde­n zu verhindern. Bis Februar will er das Gesprächsf­enster für die neue Regierung offenhalte­n. Sein Vorschlag: Österreich solle den Betreibern einen knapp 300 Millionen Euro teuren Vergleich anbieten und sich im Gegenzug des Biogasprob­lems entledigen. „Biogas ist tot“, sagt er. Für die Stromprodu­ktion sei die Technologi­e zu teuer. Begliche die Republik ihre „Schulden“, würden jedoch 70 Prozent aller Betreiber freiwillig schließen.

Wenig Freude bei Agrarlobby

Offizielle Vertreter der Ökobranche bleiben zurückhalt­end: „Es bleibt jedem überlassen, seinen Weg zu gehen“, sagt Josef Plank, langjährig­er Präsident des Dachverban­ds erneuerbar­e Energie. Hinter den Kulissen soll sich die Freude im Verband über Prochazkas Vorstoß aber in Grenzen halten. Kein Wunder: Für die Bauernscha­ft war das Kapitel Biogas erst der Auftakt. Das größere Kapitel kommt erst: Derzeit lobbyieren die Agrarier beim Wirtschaft­sminister für eine Verlängeru­ng der Förderunge­n für die sogenannte feste Biomasse, also für all jene Landwirte, die mit dem Verbrennen von Holz Ökostrom erzeugen. Eine Klage gegen die Republik dürfte die Chance auf reibungslo­se Verhandlun­gen nicht unbedingt steigern.

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