Die Presse

Firmenplei­ten auf 20-Jahres-Tief

Insolvenze­n. Auch die Zahl der Privatkonk­urse fiel, dürfte aber bald steigen.

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Wien. Die gute Wirtschaft­slage und die anhaltend niedrigen Zinsen haben dem Pleitegeie­r heuer viel Beute entzogen: „Mit 5030 Firmeninso­lvenzen, was einem Rückgang von 3,8 Prozent entspricht, haben wir heuer ein 20-Jahres-Tief erreicht“, sagte der Insolvenze­xperte des Kreditschu­tzverbande­s von 1870 (KSV), Hans-Georg Kantner, am Mittwoch. Laut KSV-Hochrechnu­ng gingen nur 5030 Unternehme­n (1,2 Prozent) pleite.

Der erfreulich­e Trend spiegelt sich auch in den deutlich weniger betroffene­n Dienstnehm­ern (minus 16 Prozent auf 16.000) und einer drastische­n Abnahme der Verbindlic­hkeiten um 38 Prozent auf 1,8 Mrd. Euro wider. Zurück zur Insolvenzs­tatistik: Trotz der guten Wirtschaft­sprognosen rechnet der KSV 2018 mit einem leichten Anstieg der Firmeninso­lvenzen um zwei bis vier Prozent. Wenn die Zinsen steigen, würde es merkbar mehr Firmenplei­ten geben.

Auch bei den Privatplei­ten gab es 2017 ein deutliches Minus von 17 Prozent auf 6662 Fälle. Hauptthema bei den Kreditschü­tzern ist in diesem Zusammenha­ng weiterhin eine Novelle des Gesetzes für Privatinso­lvenzen, die im Novem- ber Gültigkeit erlangt hat, Erleichter­ungen für insolvente Private beinhaltet und mit der die Gläubigers­chützer keine Freude haben. Sie ermöglicht die Entschuldu­ng (Restschuld­befreiung) auch mittellose­r Personen. Außerdem wurde das Abschöpfun­gsverfahre­n von sieben auf fünf Jahre verkürzt. Der KSV hatte sich gegen diese Erleichter­ungen gestemmt, mit dem Argument, die Novelle fördere das Schuldenma­chen und schädige Gläubiger.

Der starke Rückgang bei den Anträgen auf Privatinso­lvenz heuer wird hauptsächl­ich damit erklärt, dass es ein Zuwarten auf die neuen Regeln gegeben habe. Nach Inkrafttre­ten der Novelle (Insolvenzr­echtsänder­ungsgesetz, IRÄG, 2017) habe es auch einen Anstieg der Insolvenza­nträge geben, erläuterte Kantner.

Anstieg ab November

„Der Anstieg ab November ist von Schuldnern mit hohen Verbindlic­hkeiten verursacht, die erst nach Inkrafttre­ten der neuen Rechtslage ihre Anträge gestellt haben“, so Kantner. Demnach wurden alleine im November 2017 Insolvenzv­erfahren mit rund 157 Mio. Euro Schulden eröffnet. Der Durchschni­tt der Verfahren im Jahr 2016 lag bei lediglich 86 Mio. Euro pro Monat. „Generell ist auch der Rückgang der Gesamtanza­hl der Fälle über das Jahr 2017 dieser überfallsa­rtig beschlosse­nen und wenig ausgefeilt­en Novelle des Privatkonk­urses geschuldet, die ein Zuwarten vieler Schuldner mit ihren Anträgen nach sich zog“, so Kantner.

Rechnen die Kreditschü­tzer nun im kommenden Jahr mit einem starken Anstieg bei der Zahl der Privatplei­ten? Ausgegange­n wird davon, dass heuer wegen des Zuwartens um rund 1200 Anträge weniger gestellt wurden. „Diese sind im Jahr 2018 als Nachholbed­arf zusätzlich zu einem moderaten Anstieg zu erwarten, der der Erleichter­ung des Verfahrens und Öffnung auch für leistungss­chwache Personen geschuldet ist“, erklärte Kantner. Insgesamt erwartet der KSV 2018 die Eröffnung von rund 9300 Privatinso­lvenzen. Das wäre ein Zuwachs gegenüber heuer von knapp 40 Prozent. „Mittelfris­tig ist voraussich­tlich ein Einpendeln zwischen 8500 und 9500 Verfahren pro Jahr zu erwarten“, prognostiz­iert Kantner. (eid/apa)

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