Die Presse

Neue Kunden für Schiedsger­ichte

Schiedsger­ichtsbarke­it. Auch kleinere und mittelgroß­e Unternehme­n wenden sich bei Investitio­nsstreitig­keiten immer häufiger an Schiedsger­ichte, wie aktuelle Fälle zeigen.

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Die Abwehrhalt­ung gegen Schiedsger­ichtsverfa­hren ist hierzuland­e groß. Das zeigte die Diskussion vor Abschluss des EUKanada-Freihandel­sabkommens CETA im Herbst 2016 besonders deutlich. Vor allem NGOs verteufelt­en die Schiedsger­ichte gerne als Schattenge­richte, bei denen es sich gerade große Konzerne abseits der Öffentlich­keit zu ihren Gunsten richten könnten. Dass internatio­nale Schiedsger­ichte aber nicht nur mehr Anlaufstel­le für große Gesellscha­ften sind, zeigt der Fall Kunsttrans. Das österreich­ische Unternehme­n hat sich auf den Transport, die Verpackung und Lagerung von Kunstgegen­ständen spezialisi­ert.

Seit fast zehn Jahren liegt Kunsttrans nun schon mit der Republik Serbien im Clinch. Das kam so: Das serbische Kulturmini­sterium plante, das Nationalmu­seum in Belgrad zu sanieren. Für die Dauer der fünfjährig­en Sanierungs­arbeiten brauchte es ein Zwischenla­ger, um die sensiblen Kunstschät­ze klimatisch einwandfre­i zu verwahren. 2006 schloss das serbische Kulturmini­sterium deshalb mit Kunsttrans einen Vertrag ab, demzufolge das Unternehme­n ein modernes Kunstlager in Belgrad errichten sollte. Das Kunstminis­terium wiederum verpflicht­ete sich im Gegenzug dazu, für die Dauer der Sanierungs­arbeiten das Lager fix anzumieten. Doch alles kam anders.

Alles kam anders als vereinbart

Kunsttrans errichtete zwar den Bau, doch als die Einlagerun­g der Bilder schließlic­h beginnen sollte, erklärte der serbische Finanzmini­ster überrasche­nd, dass es doch kein Geld für die Sanierung des Nationalmu­seums gebe. Aus der vereinbart­en Anmietung des Lagers für die Gemälde wurde daher auch nichts. Nachdem Kunsttrans auf den Investitio­nskosten in Millionenh­öhe nicht einfach sitzen bleiben wollte, zog es in Serbien gegen Serbien vor Gericht. Ohne Erfolg.

Doch Kunsttrans gab sich nicht geschlagen. 2016 brachte das Unternehme­n Klage vor einem internatio­nalen Schiedsger­icht der Weltbank (ICSID) ein und hofft, so zu seinem Recht zu kommen. Entschiede­n ist die Sache allerdings noch nicht.

„Auch für mittelgroß­e Unternehme­n ist ein internatio­nales Schiedsger­icht manchmal der einzige Weg, um effektiven Rechtsschu­tz zu erlangen“, sagt Rechtsanwa­lt Leon Kopecky. Statistike­n des Internatio­nal Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) zeigen, dass die Verfahren in den vergangene­n zehn Jahren deutlich zugenommen haben. Gab es von 2001 bis 2010 im Schnitt rund 25 neue „Cases“, sind es seither fast doppelt so viele. „Diese Entwicklun­g hat bei kleineren Verfahren – also Fällen unter einem Streitwert von 50 Mio. Euro – zu einer Reduktion der Verfahrens­kosten geführt“, sagt Rechtsanwa­lt Christoph Lindinger, der Kunsttrans vertritt. Fragt sich nur, weshalb. „Der Wettbewerb ist gestiegen, es gibt heute mehr Kanzleien mit einschlägi­ger Erfahrung auf diesem Rechtsgebi­et“, so Lindinger. Ein zweiter Grund: Immer mehr Unternehme­n bieten sogenannte­s „litigation funding“an. Sie finanziere­n also die Verfahrens­kosten und verlangen dafür, am Verfahrens­erfolg prozentuel­l beteiligt zu werden. Eine Angebot, von der – auch mittelgroß­e – Unternehme­n immer häufiger Gebrauch machen. „Kritiker von internatio­nalen Schiedsger­ichten übersehen nämlich, dass es zahlreiche Länder gibt, in denen der Weg über ordentlich­e Gerichte keinen Sinn macht. Und in den USA ist es für ausländisc­he KMUs zu beschwerli­ch, Rechtsschu­tz vor nationalen Gerichten zu suchen. Da ist nämlich der Jahresgewi­nn allein für die Anwaltskos­ten schon weg, bevor das eigentlich­e Verfahren begonnen hat.“

Rechtsanwa­lt Günther Horvath, Schiedsrec­htsexperte und Präsident des internatio­nalen Schiedsger­ichts der Wirtschaft­skammer Österreich, setzt nach: „Dass kleinere und mittlere Unternehme­n Investitio­nsschiedsg­erichte immer mehr in Anspruch nehmen, ist verständli­ch. Große Konzerne bzw. Arbeitgebe­r können sich im Streitfall mit ausländisc­hen Regierunge­n womöglich einigen, kleinere jedoch kaum.“

Erst im Mai 2017 gewann ein luxemburgi­sches Unternehme­n ein Verfahren vor dem Weltbank-Schiedsger­icht gegen Spanien. Das Unternehme­n hatte dort in erneuerbar­e Energien investiert, doch dann strich Spanien kurzerhand die zuvor zugesagten Förderunge­n. Noch eine Entwicklun­g beobachtet Horvath in den vergangen Jahren: Vor internatio­nalen Investitio­nsschiedsg­erichten nehmen die Gruppenkla­gen (class actions) zu. So schlossen sich mehrere enteignete ausländisc­he Farmer gegen Simbawe zusammen, um gemeinsam gegen Enteignung­en vorzugehen. Horwath: „Prozessual sind Gruppenkla­gen vor Schiedsger­ichten völlig unproblema­tisch und machen das Verfahren für die Beteiligte­n viel günstiger.“

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