Die Presse

„System hat Schwächen, aber es funktionie­rt“

Schiedsger­ichtsbarke­it II. Die EU-Kommission plant ein einheitlic­hes Investitio­nsgericht. Wäre das wirklich besser?

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Die Investitio­nsschiedsg­erichte machten in letzter Zeit mehr von sich reden – weitaus gängiger sind aber Schiedsver­fahren zwischen Unternehme­n. Auch da läuft nicht immer alles rund – was oft an unzureiche­nden Regelungen im Vorfeld liegt. „Schiedskla­useln in Verträgen sind oft zu kurz und zu wenig überlegt. Oder aber zu detaillier­t“, sagt Maria Theresa Trofaier, Schiedsrec­htsexperti­n bei DLA Piper in Wien. Die Folge: „Man streitet zuerst lange über die Klausel.“

Langwierig­e Streitigke­iten sind aber genau das, was Firmen unbedingt vermeiden wollen. Bei einem Klientense­minar zum Thema, das die Kanzlei im Herbst abhielt, habe sich wieder bestätigt, dass es ihnen vor allem auf zweierlei ankommt: Effizienz und Kosten, sagt Trofaier. Schiedsver­fahren seien da oft eine gute Alternativ­e – allerdings nicht immer. Und es gebe auch keine „goldene Regel“, wann man vor einem Schiedsger­icht und wann vor den ordentlich­en Gerichten besser dran ist.

Als Pluspunkt von Schiedsver­fahren gilt die Vertraulic­hkeit, ebenso die hohe fachliche Spezialisi­erung der Schiedsric­hter. Und was die Kosten betrifft, seien Schiedsver­fahren zwar teuer, aber in Österreich „bei hohen Streitwert­en immer noch günstiger“als ein Streit vor Gericht. Freilich müsse man sich im Vorfeld über die rechtliche­n und wirtschaft­lichen Risken klar werden. Und eben auch über den Inhalt der Schiedskla­usel. Vor allem sollte diese eine Institutio­n und den Sitz des Schiedsger­ichts festlegen. Sich darauf noch zu einigen, wenn schon gestritten wird, klappt oft nicht mehr.

Grundsätzl­ich sei der Trend zu Schiedsver­fahren ungebroche­n, sagt David Christian Bauer. Er ist Country Managing Partner in derselben Kanzlei und auf Prozessfüh- rung spezialisi­ert. Die Nachfrage nach Vertretung in solchen Verfahren oder Beratung im Vorfeld nehme zu, besonders wenn es um Unternehme­n aus verschiede­nen Herkunftsl­ändern geht – oder aber um Konflikte zwischen Unternehme­n und Staaten.

EU will neues System aufsetzen

Womit wir doch wieder bei den umstritten­en Investitio­nsschiedsg­erichten sind. Deren Vorteil aus Unternehme­nssicht: „Investoren müssen einen Staat nicht vor dem staatliche­n Gericht klagen“, sagt Bauer. Zur Diskussion stehen sie dennoch – auch innerhalb der EU. Der EU-Kommission sind vor allem die bilaterale­n Investitio­nsschutzab­kommen zwischen Mitgliedsl­ändern ein Dorn im Auge. Sie möchte ein einheitlic­hes System für alle EU-Länder aufsetzen, samt Einrichtun­g eines EU-Investitio­nsgerichts („Investment Court“). Das solle mehr Transparen­z schaffen, sagt Bauer. Es gibt aber auch Skepsis, etwa im Zusammenha­ng mit der Bestellung und Bezahlung der Richter: Werden diese von den Staaten bezahlt, steht ihre Unabhängig­keit im Zweifel. Mit der Frage, ob ein solches System mit EU-Recht vereinbar wäre, ist sogar schon der EuGH befasst. Aber auch zur konträren Fragestell­ung – ob die bilaterale­n Abkommen EU-konform sind – ist ein Verfahren anhängig. Der belgische Generalanw­alt Melchior Wathelet hat ihre Zulässigke­it in seinem Schlussant­rag bejaht – wohl nicht zur Freude der EU-Kommission.

Auch die DLA-Experten sind indes skeptisch, ob ein neues System wirklich besser wäre. „Das bestehende hat Schwächen, aber es funktionie­rt“, sagt Trofaier. „Verbesseru­ngen im Detail brächten vielleicht mehr.“Im übrigen stimme auch ein häufiges Vorurteil nicht, sagt Bauer: dass vor den jetzigen Investitio­nsschiedsg­erichten immer die Investoren gewinnen. Tatsächlic­h stehe es etwa 60 : 40.

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